hand.gemacht über 3D-gescannte Objekte, die Geschichten erzählen

Das Projekt hand.gemacht wurde am 1. Juli 2022 ins Leben gerufen und erweitert mithilfe der 3D-Scantechnologie die Möglichkeiten im Kulturbereich. Im Fokus stehen handgefertigte Objekte, die einen Bezug zur Oberpfalz haben und interessante Geschichten erzählen. Mittels 3D-Scans werden virtuelle Abbilder dieser Objekte erstellt, die für verschiedene Zwecke und Angebote genutzt werden können. Das Projekt dient somit als Gedächtnisträger, der Forschern und Interessierten zur Verfügung steht. Zudem hat jeder die Möglichkeit, sich an diesem musealen Sammlungsprozess zu beteiligen. Aktuell wird daran gearbeitet, die erhobenen Daten zu kuratieren und in einer speziell entwickelten Web-App mit Sammlungs- und Modellansichten zu präsentieren. Ziel ist es, die Hintergründe und Verknüpfungen der Gegenstände aufzuzeigen und ihre individuellen Geschichten zu erzählen.

3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und erzählen, wie es zu der Idee des Projekts hand.gemacht kam?

Wir sind Michaela Stauber und Julian Moder, Projektleiter und wissenschaftliche Mitarbeiter im Forschungsprojekt hand.gemacht. Das Projekt selbst wurde über einen Förderantrag an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen und für Heimat ins Leben gerufen. Die Förderrichtlinie „Heimat-Digital-Regional“ des Ministeriums hat das Ziel, regionale Kultur durch digitale Projekte zu unterstützen und sichtbar zu machen. Mit hand.gemacht gehen wir diesem Ziel insofern nach, als wir die Kreativität und den Erfindergeist der Oberpfälzer in Form von 3D-gescannten Objekten sammeln. Dabei interessiert uns vor allem, wie und weshalb ein Objekt hergestellt wurde und welche Geschichte daran hängt. Unser Anliegen ist es nicht zuletzt, solchen Gegenständen Aufmerksamkeit zu schenken, die auf den ersten Blick eher unscheinbar oder unwichtig wirken und weniger in Museen zu finden sind. Ganz untypisch für  Sammlungsprozesse geht das Objekt nach der Erhebung übrigens direkt wieder an seinen Besitzer. Dadurch kann der Gegenstand weiter „belebt“ werden und vielleicht, in seiner Zukunft, noch einmal von uns aufgenommen werden.

Julian Moder und Michaela Stauber von Projekt hand.gemacht. (Bild: hand.gemacht)

3DN: Welche Personen, Einrichtungen etc. reichen Objekte bei Ihnen ein und um welche Objekte handelt es sich zum Großteil?

Die Menschen hinter unseren gesammelten Objekten sind meist Privatpersonen. Zu den häufigsten Gründen, weshalb diese Menschen auf uns zukommen, gehören Stolz auf das eigene Werk und der Wunsch, die Familiengeschichte und Erinnerung an Angehörige festzuhalten. Ein wichtiger Faktor ist auch unsere innovative Sammlungsstrategie. Sie erlaubt es dem Objekt, eine Art „Doppelleben“ zu führen. Es kehrt nach der digitalen Reproduktion als Original in das Leben der Besitzer zurück und nimmt gleichzeitig, als digitales Abbild, eine Rolle als Denkmal und Kommunikationsmedium ein. Für viele ist das ein Weg, die eigene Handarbeit oder die Erinnerung an einen Menschen zu würdigen, ohne dabei einen emotional wertvollen Gedächtnisträger hergeben zu müssen. Die Hemmschwelle, den selbst hergestellten Gegenstand oder das Familienerbstück an ein Museum abzugeben, ist oft hoch. Es besteht eben häufig eine starke emotionale Bindung dazu. Außerdem erfassen wir aber auch Objekte, die von Vereinen – oft im Rahmen von Bräuchen und Festen – selbst gemacht werden, denn derlei Gegenstände und ihre Hintergründe sind in der Regel wenig dokumentiert. Wir bieten die Möglichkeit, solche Objekte vor dem Vergessen zu bewahren, und machen sie zu einem Sprachrohr für Oberpfälzer Kultur.

3DN: Wie wählen Sie dann die Objekte aus, die digitalisiert werden und welche interessanten Objekte haben Sie bisher 3D-gescannt?

Räumlich gesehen begrenzen wir uns aus der Förderrichtlinie heraus, aber auch aus logistischen Gründen, auf die Oberpfalz. Eine Verbindung des Objekts in die Region ist ausschlaggebend. Dabei ist es aber nicht wichtig, ob der Gegenstand hier erstellt wurde, denn gerade auch Mitgebrachtes, beispielsweise im Zuge von Migration, birgt spannende Erzählungen. Zeitlich sammeln wir ungefähr 80 Jahre in die Vergangenheit bis in die Gegenwart. Das macht es wahrscheinlich, dass die Erinnerungen und Geschichten noch im kommunikativen Gedächtnis verankert sind oder von Zeitzeugen selbst stammen. Die handgemachten Gegenstände müssen zudem aus informeller Herstellung stammen. Das bedeutet, sie sind nicht für kommerzielle Zwecke und nicht in hoher Stückzahl erstellt worden. Der klassische Kunsthandwerksmarkt ist für uns weniger interessant. Dort fehlen die Geschichten, Erinnerungen und individuellen Motivationen zur Herstellung und zum Gebrauch der Gegenstände. Da es sich bei allen Objekten in unserer Sammlung um selbstgemachte Dinge handelt, gibt es so gut wie immer spannende Aspekte. Mal ist der Gegenstand selbst oder die handwerkliche Umsetzung sehr ausgefallen, ein anderes Mal ist die Motivation oder eine mit dem Objekt verknüpfte Erinnerung faszinierend.

Der Scan einer alten Tabakschneidemaschine. (Bild: hand.gemacht)

Wir sammeln Gegenstände, die bis zu ca. 80 Jahre alt sind. Aber auch neue Dinge finden sich in unserer Sammlung. Dadurch konnten wir schnell Verbindungen zwischen den Objekten und Menschen zu unterschiedlichen Zeiten und Umständen ausmachen. Ein alter Spiegelrahmen, welcher in einem Lazarett während oder kurz nach dem ersten Weltkrieg gefertigt wurde, entstand aus einer ähnlichen Motivation heraus wie ein Dirndl, das während der Corona-Pandemie von einem Musiker gefertigt wurde. In diesen Fällen suchte man einen sinnvollen Zeitvertreib während einer Phase extremer Unterbeschäftigung und Langeweile. Ein weiteres oft aufkommendes Thema ist Ressourcenknappheit – man denke an die Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs, in der zum Beispiel ein Ofen aus alten Wehrmachtsbeständen selbst gefertigt wurde, und die Corona-Pandemie mit selbstgebauten Türöffnern oder selbstgenähten Masken. Aus den von uns gesammelten Gegenständen und Kontexten lässt sich viel über den Umgang mit Material und Objekten zu Krisenzeiten herauslesen. Andere Objekte wiederum erzählen uns mehr über Bräuche und Traditionen, Nachhaltigkeit und Recycling oder DIY-Trends.

3DN: Welche 3D-Scanner benutzen Sie und welchen Schwierigkeiten begegnen Sie beim Scannen?

Da wir als Projektteam sehr flexibel an unterschiedlichen Orten scannen müssen, war die Wahl eines Scangeräts recht früh geklärt. Der Artec Leo HD ist durch seine Mobilität, einfache Bedienung von Hard- und Software und Genauigkeit schnell zum Favoriten avanciert. Niedrige Scanzeiten ermöglichen es uns, unterwegs gleichzeitig die kulturwissenschaftlichen Interviews zu führen und die Objekte zu digitalisieren. So sind externe Termine für uns meist innerhalb von wenigen Stunden erledigt.

Unser zweiter Scanner deckt im Gegensatz dazu ganz andere Anforderungen ab. Der Botspot Botscan Momentum ermöglicht uns ein repetitives Scannen bei einer immer gleichbleibenden Umgebung. Der Scanner arbeitet, anders als der Artec Leo, ausschließlich mit Photogrammetrie, und zwar in einer geschlossenen Kammer mit polarisiertem Licht. Das ist beispielsweise beim Scan eines geschnitzten Schachsets mit vielen einzelnen Elementen ein unschlagbarer Vorteil. Die beiden Geräte ergänzen sich wunderbar durch das abgedeckte Spektrum an Objektgrößen. In der Kammer des Botspots können Objekte bis zu einem Kantenmaß von 40 cm erfasst werden, aber eben auch sehr kleine Geometrien. Zusammen mit dem Artec Leo können wir alle Objektgrößen bis zu mehreren Metern Kantenlänge digitalisieren

Die beleuchtete Kammer des Botspot Botscan Momentum. (Bild: hand.gemacht)

Die üblichen Schwierigkeiten beim Scannen bereiten Transparenzen, Reflexionen, flexible Materialien wie Stoffe oder leicht bewegliche Teile. Dunkle Kontraste, komplexe Geometrien und sehr tiefe Aushöhlungen sind ebenfalls schwierig zu scannen. Hinzu kommt in unserem Fall der Verzicht auf die Behandlung mit Sprays zur Reflexionsminderung. Aber diese Phänomene lassen sich alle durch die eingesetzte Technologie erklären.

Eine ganz andere Herausforderung ist es, der riesigen Varianz an unterschiedlichen Objekten Herr zu werden. Jeder Gegenstand, der von uns im Projekt erhoben wird, bedarf einer Überlegung, mit welchem Gerät gescannt wird, welche Orientierung das Objekt haben soll, wie man an schwierige Stellen kommt, wie man mit beweglichen Teilen oder Einzelteilen umgeht. Wie zuvor beschrieben, sind die von uns gescannten Objekte emotional wertvoll für die Objektgeber. Wir müssen also mit entsprechender Vorsicht agieren.

3DN: Könnten Sie den Prozess der Aufbereitung und Digitalisierung näher erläutern?

Wir teilen die Nachbearbeitung der Scans und der kulturwissenschaftlichen Daten in verschiedene Phasen auf: Datenaufbereitung, Nachbearbeitung, Katalogisierung, Kuration, virtuelle Aufbereitung und Veröffentlichung.

Die rohen Scandaten bestehen aus Punktwolken und zugeordneten Texturen. Diese müssen zunächst bereinigt, dann aufeinander ausgerichtet und schließlich zu mehreren Modellen, in verschiedenen Detailstufen, verrechnet und texturiert werden. Danach richten wir die Objekte aus. Ein stehender Spiegel sieht in einem 3D-Viewer wesentlich interessanter aus als ein liegender. Animationen, kleine Korrekturen oder ähnliche Arbeiten werden ebenfalls in diesem Schritt erledigt. Die Modelle werden anschließend in einer Datenbank weiter für die Nutzung in einer Webapp vorbereitet. Um die Geschichte eines Objekts erzählen zu können, müssen wir die geführten Interviews transkribieren, interessante Informationen auswählen, diese zu Texten umschreiben und die Inhalte an hervorgehobenen Punkten am Modell platzieren. Es ist also ein langer Weg vom Original bis zum virtuellen Gedächtnisträger.

Der 3D-Scan mit dem Artec Leo. (Bild: hand.gemacht)

3DN: Haben Sie noch abschließende Worte an unsere Leserschaft?

Was unser Forschungsprojekt antreibt und überhaupt erst möglich macht, ist das Interesse der Menschen daran, ihre Geschichte(n) festzuhalten und weiter zu erzählen. Gegenstände waren dabei schon immer ein wesentlicher Faktor, ob als Träger von Erinnerung oder mit ganz eigenen narrativen Eigenschaften. Der große Versuch, den wir mit hand.gemacht unternehmen, ist es, eine relativ unterrepräsentierte Gruppe von Objekten zu sammeln und sie gleichzeitig als Original in ihrem Gebrauchskontext zu belassen. Dabei legen wir den inhaltlichen Fokus auf die Beziehung zwischen Mensch und Objekt. Diese Verbindung von Mensch, Gegenstand, Kultur und Geschichte kommunizieren wir durch eine moderne und innovative virtuelle Umgebung, um rückwirkend ein Kulturbewusstsein in der Oberpfalz zu stärken. Wir freuen uns natürlich, dass unsere Forschungsarbeit so viel Interesse weckt und auch in der 3D Community Anklang findet. Gerade befinden wir uns in einer sehr spannenden Phase. In den nächsten Wochen wird unsere Website enthüllt, die Webapp soll planmäßig in wenigen Monaten in eine Testphase gehen. In der Zwischenzeit könnt ihr uns gerne auf Instagram oder Facebook folgen. Mehr über das Projekt und Kontaktdaten finden Sie HIER.

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*Bildnachweise: hand.gemacht

Kaja F.:
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