Die spannendsten Biomimetik 3D-Druck Projekte
Biomimetik wird in Cambridge definiert als „die Praxis, technisches und industrielles Design nach dem Vorbild natürlicher Prozesse zu gestalten“. Und auch wenn es kontraproduktiv erscheinen mag, technologische Fortschritte auf die natürliche Welt zurückzuführen, so wird diese Praxis doch von der Tatsache angetrieben, dass Ingenieure und Wissenschaftler in zunehmendem Maße feststellen, dass die Art und Weise, wie die Natur es gemacht hat, in vielen Fällen am besten ist, insbesondere im Hinblick auf das Design. Außerdem sind mit dem Aufkommen der 3D-Drucktechnologien diese komplexen Konstruktionen plötzlich in einer Weise möglich, wie es mit subtraktiven Technologien nicht der Fall war. Daher haben wir uns entschlossen, in der folgenden, nicht vollständigen Liste einige der aufregendsten Projekte, die 3D-Druck mit Biomimetik kombinieren, näher zu betrachten, und zwar in keiner bestimmten Reihenfolge. Damit wir besser verstehen, wie die additive Fertigung uns hilft, diese optimierten Muster zu veranschaulichen.
Earth Moc
3D-gedruckte Schuhe sind keine Neuheit mehr. Selbst große Marken wie adidas, New Balance und Nike setzen auf additive Fertigung, um unglaubliche Schuhe zu entwickeln. Aber das bedeutet nicht, dass die Innovation abgeschlossen ist. Neben dem 3D-Druck nutzen einige auch die Biomimetik, um noch optimiertere Lösungen zu schaffen, wie im Fall des Earth Moc. Der von Daniel Shirley im Rahmen des 3D-Druck-Schuhdesign-Wettbewerbs von Sintratec im Jahr 2022 entworfene Schuh soll an ineinander verschlungene Wurzeln und Reben erinnern, um Komfort und Flexibilität zu maximieren. Er hofft, dass der aus TPE gefertigte, leichte Regenerationsschuh zur Linderung nach einer Wanderung oder sogar für leichte Übungen verwendet werden kann.
Der AuguaHoja-Pavillon
Der AguaHoja-Pavillon in San Francisco ist 5 Meter hoch und hat eine komplexe Totem-Struktur. Diese imposante Struktur wurde in Zusammenarbeit zwischen Neri Oxman, The Mediated Matter Group und Stratasys entwickelt. Das von der Natur inspirierte Design umfasst eine Sammlung von Artefakten, die fast vollständig aus organischem Material bestehen und durch Wasser geformt wurden. All dies wird von einem mit dem 3D-Drucker F900 von Stratasys additiv gefertigten Rahmen getragen, der jede einzelne Komponente zusammenhält. Darüber hinaus beinhaltet das Projekt einen architektonischen Vorschlag für eine umweltverträgliche Melaminglasstruktur. „Wir mussten die melanogene Struktur sicher einschließen, ohne die Fähigkeit zu beeinträchtigen, jede Ebene des visuellen Details zu fördern“, erklärt Neri Oxman.
Die Verbindung von Mode, Technologie und Natur
Der amerikanische Designer Zac Posen sorgte bei der Met Gala 2016 mit seinen 3D-gedruckten Designs für Aufsehen. Er arbeitete mit GE Additive und Protolabs zusammen, um ein Kleid, ein Oberteil und verschiedene Accessoires zu entwerfen, die von einigen der Stars der Gala durch additive Fertigung getragen werden konnten. Für das von Jourdan Dunn getragene Kleid ließ sich Posen von der Form einer Rose inspirieren. Er entwarf eine Struktur aus 21 Blütenblättern, die in 3D mit Harz gedruckt wurden, etwa 50 cm groß sind und jeweils ein halbes Kilo wiegen. Die Schauspielerin Nina Dobrev trug einen durchsichtigen 3D-gedruckten BH mit einer SLA-Lösung. In diesem Fall wollte der Designer einen glasigen Effekt erzielen, der an flüssiges Wasser in Bewegung erinnert. Insgesamt dauerte es mehr als 200 Stunden, um die Teile im Werk von Protolabs in Deutschland herzustellen.
Tower of Life
Der von Built by Associative Data entworfene und vorgeschlagene Tower of Life ist ein architektonisches Projekt in Dakar, Senegal, das ökologische Effizienz mit traditionellem afrikanischem Design verbinden soll. Das Bauwerk nutzt fortschrittliche 3D-Drucktechnologie und verwendet eine biologisch abbaubare, lokal hergestellte Tonmembran, um die Umweltbelastung und die Baukosten zu reduzieren, indem der Bedarf an transportierten Materialien verringert wird. Inspiriert von der Biomimetik funktioniert der Tower of Life als ein energiepositives System, das Ressourcen, Wasser und Luft effizient verwaltet und gleichzeitig ein Mikroklima mit minimalen Emissionen aufrechterhält. Sein Design integriert auch weitere nachhaltige Praktiken und zeichnet sich durch eine Struktur aus, die natürliche Formen nachahmt und als geschlossenes Kreislaufsystem funktioniert, das die lokalen ökologischen Bedingungen respektiert und gleichzeitig zur nachhaltigen Entwicklung der Stadt beiträgt. Das Unternehmen hat die Absicht, das Gebäude zu einer architektonischen Ikone in Afrika zu machen, die zeigt, wie innovatives Design und Technologie mit dem kulturellen Erbe verschmelzen können, um eine sich selbst erhaltende, ökologisch verantwortungsvolle Zukunft zu schaffen.
Röhren inspiriert von spiralförmigen Haifischdärmen
Inspiriert von der spiralförmigen Form des Haifischdarms, der die Nahrungsbewegung verlangsamt und mithilfe von Schwerkraft und Peristaltik nach unten leitet, haben Forscher der University of Washington mithilfe der 3D-Drucktechnologie vereinfachte biomimetische Modelle erstellt. Durch die Entwicklung weicher, flexibler Strukturen, die diese Därme nachahmen, will das Projekt verstehen, wie ihr einzigartiges Design den Flüssigkeitsfluss in eine Richtung erleichtert, was zu schnelleren Flussraten in fortschrittlichen Flüssigkeitssteuerungssystemen führen könnte. Dieser Ansatz der Biomimetik konzentriert sich darauf, wie sich der Radius und die Dicke der 3D-gedruckten spiralförmigen Röhren auf die Flüssigkeitsdynamik auswirken, und bietet Einblicke in die Wechselwirkung zwischen Membranen und Strömung. Wie das Team berichtet, könnte dieses Projekt im weiteren Verlauf der Forschung bedeutende Anwendungen in der Soft-Robotik, in medizinischen und mikrofluidischen Geräten sowie in industriellen Rohrleitungen finden.
Sichere Helme mit Gitterstrukturen
Mithilfe des 3D-Drucks können wir uns Lattenstrukturen vorstellen, die direkt von der Natur inspiriert sind: Sie sehen tatsächlich wie Bienenwaben aus. Ihr Design ist sehr intelligent, da es ermöglicht, das Material nur dort zu platzieren, wo es benötigt wird, und somit das Endgewicht des Teils zu optimieren. Dies ist ein besonders interessanter Punkt im Bereich des Sports und speziell bei Schutzausrüstungen. Dank des 3D-Drucks und der Biomimetik haben sich einige Akteure z. B. Fahrradhelme ausgedacht, die leichter, widerstandsfähiger, bequemer und vor allem individuell gestaltet sind. Dies ist der Fall bei KAV Sports oder auch bei HEXR, das dank der additiven Fertigung einen Helm entwickelt hat, der Stöße besser absorbiert – er soll 26 % sicherer sein als herkömmliche Helme. Weitere Beispiele sind der American Football und das Unternehmen Vicis Enhanced, das seine Helme mit 3D-gedruckten Ohrpolstern ausgestattet hat, die von Bienenwaben inspiriert sind. Durch den Einsatz von 3D-Druck könnte die Aufprallkraft, wenn ein Kopf den Boden berührt, um bis zu 7 % reduziert werden.
Volvo und seine 3D-gedruckten Dämme
Für das nächste Beispiel der Biomimetik gehen wir nach Australien. Die Küstenlinie des Hafens von Sydney ist zu 50 % mit Dämmen zum Schutz vor Wellen und Gezeiten versehen. Diese Struktur behindert jedoch den Lebensraum der Meeresbewohner und zwingt sie dazu, sich einen anderen Platz zu suchen. Mit dem Ziel, das Gleichgewicht des Küstenökosystems wiederherzustellen, hat der schwedische Automobilhersteller Volvo in Zusammenarbeit mit dem Reef Design Lab, dem Sydney Institute of Marine Science (SIMS) und dem Stadtrat von North Sydney ein Naturschutzprojekt gestartet. Gemeinsam entwarfen und druckten sie 3D-Fliesen, die die Form der Wurzeln der Mangrovenbäume in dem Gebiet nachahmen. Als Material wurde Beton verwendet, und die Kacheln wurden auf den bestehenden Deichen verlegt. Die Hohlräume in der gedruckten Struktur dienten als Heimat für Arten wie Austern, Fische und Algen und brachten so das Meeresleben zurück an die Küste.
Die 3D-Samen verstreuenden Schuhe
Das Projekt „Rewild the Run“ ist eine Initiative der britischen Designerin Kiki Grammatopoulos. Es handelt sich um einen Laufschuh, der beim Laufen hilft, Samen zu transportieren und zu verteilen. Wie machen sie das? Die Schöpferin nutzte die Gestaltungsfreiheit, die der 3D-Druck bietet, um eine Sohle mit kleinen Haken herzustellen. Beim Laufen nimmt die Person Pflanzenmaterial auf, das sie dann überall verstreut. Die Idee für diese Schuhe stammt von einer anderen Tierart, die diese Funktion in der Natur auf unauffällige Weise ausübt: dem Bison. Mit ihren kräftigen Hufen und ihrem Fell verbreiten Bisons auch Samen und schaffen Wege, auf denen sich andere Tiere bewegen. Das Ziel dieser Schuhe ist es, die Umwelt grüner zu machen. Durch die Ausbreitung der Städte wurden die natürlichen Lebensräume vieler Arten zerstört oder verkleinert. Aus diesem Grund sind die Schuhe eine gute Idee, um das Gleichgewicht der Ökosysteme wiederherzustellen.
Pinarello imitiert Buckelwale für verbesserte Aerodynamik von Rennrädern
Der italienische Fahrrad-Hersteller Pinarello zählt zu den Referenzen im Fahrradsport. Der Stundenweltrekord wurde auf einem Pinarello-Bike aufgestellt und die italienische Bahnradmannschaft wird bei den anstehenden Olympischen Spielen auf Pinarello-Rädern antreten, um den Mannschaftstitel zu verteidigen. Pinarello strebt stets danach, seine Fahrräder noch schneller und leistungsfähiger zu machen. Dazu bedient sich der Hersteller der neuesten Technologien und holt sich tierische Vorbilder. Die Rahmen werden per 3D-Druckverfahren gefertigt und die integrierten AirFoil-Sektionen und die AirStream-Technologie tragen dazu bei, die Aerodynamik des Rads zu verbessern. Die AirStream-Technologie wurde von der Universität Adelaide und NablaFlow entwickelt, die sich von Buckelwalen inspirieren ließen. An den Flossen der Wale befinden sich nämlich Tuberkeln. Diese kleinen Wölbungen ermöglichen es den Walen sich leicht zu wenden. An den Pinarello-Bikes werden diese Wölbungen in Form von AeroNodes am Sattelrohr und der Sattelstütze nachgeahmt. Sie sorgen dafür, Wirbelströme zu reduzieren und die Aerodynamik zu verbessern.
Miesmuscheln als Vorbild für Knochenkleber
Sehr zum Leid von Schiffsleuten klebt sich die Miesmuschel häufig an Booten fest. Dafür sorgt ihr eigenes Protein, genauer gesagt die darin enthaltene Aminosäure Dihydroxyphenylalanin (DOPA). Forscher des Fraunhofer IAP und IGB haben diesen Stoff mit seinen klebenden Eigenschaften imitiert und schaffen so einen antimikrobiellen Klebestoff für die Medizin. Konkret kann der Klebstoff auf Knochen per 3D-Druck aufgetragen werden. Die Knochen verbinden sich damit und so können Gelenkschäden repariert werden. Darüber hinaus kann der Klebstoff auf bestehende Implantate aufgedruckt werden und deren Lebenszeit verlängern, sodass kein operativer Eingriff zum Wechsel nötig ist.
Die Biomic Wall
Das Projekt der Biomic Wall soll auf die aktuelle Umweltsituation und Wichtigkeit der Beziehung von Ökologie und Architektur aufmerksam machen. Es handelt sich um eine im 3D-Druckverfahren hergestellte Hydrokulturwand aus Keramik. Der Prototyp entstand im Rahmen eines Masterkurses an der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit Studio cera.LAB und exparch.hochbau. Die Fassade besteht aus einer komplexen Keramikstruktur, die auf einem Metallgestell fixiert ist. Um diese Form herzustellen, wurde das 3D-Extrusionsverfahren mit einer 4mm-Drüse genutzt, da herkömmliche Fertigungsverfahren nicht ausgereicht hätten. Die Ziegel wurden mit einer Auflösung von 2 mm gedruckt. Ziel der Wand ist es, moderne Technologie, Architektur und Umweltbewusstsein zu verbinden. Die poröse Oberfläche soll das Pflanzenwachstum fördern und so das Klima im urbanen Raum verbessern. Zudem reagiert die Wand auf die Umwelt, trägt zur Begrünung dichter städtischer Räume bei und dämpft Lärm.
Die Hängelampe von Paolo Castelli
Im April präsentierte das Möbelunternehmen Paolo Castelli eine 3D-gedruckte Hängelampe, die von der organischen Struktur eines Bienenstocks und seinem verwobenen Muster inspiriert ist. Diese Struktur soll für eine ruhige Beleuchtung sorgen. Die Lampenserie wurde mithilfe von 3D-Keramikdruck in der Luft und in Zusammenarbeit mit WASP, einem italienischen 3D-Druckunternehmen, welches auf Großformat- und Keramikextrusionstechnologie spezialisiert ist, produziert. Da Castelli bei der Produktion der Lampe auf Nachhaltigkeit setzte, wurden natürliche Keramikmaterialien benutzt und ein Verfahren angewendet, das die Materialabfälle minimiert: der 3D-Druck. Bei der Entwicklung wurde zunächst Computerdesign verwendet, um ein 3D-Modell auf Grundlage des Entwurfs von Castelli zu erstellen. Anschließend kam die Liquid Deposition Modeling (LDM)-Technologie zum Einsatz. Einzigartig ist, dass die Lampe in der Luft gedruckt wurde, um ihre abfallende Form zu erzielen. Paolo Castelli erklärt: „Während das Material bedruckt und getrocknet wird, fällt es spontan in sich selbst zurück und erzeugt so ein Muster aus Schlitzen, durch die sanfte Lichtstrahlen austreten können. Das raffinierte Design verschmilzt dann mit den intrinsischen Eigenschaften des Materials zu einem langlebigen Beleuchtungssystem, das dazu einlädt, Momente der Entspannung im Freien zu erleben.“
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