3D-Druck im Bauwesen: Die Transformation der Baubranche

Im Jahr 2004 führte Professor Behrokh Khoshnevis von der University of South Carolina den 3D-Druck von Betonwänden ein. Was wirklich eine Innovation in der Baubranche darstellte, war seine Technologie, das Contour Crafting, mit der man ein Haus vollautomatisch in nur 20 Stunden bauen könnte. Der Professor entwickelte einen FDM-ähnlichen 3D-Drucker, der auf einem Roboterarm montiert ist und nicht Plastik, sondern Beton extrudieren kann, um aus einem 3D-Modell Schichten zu erzeugen. Behrokh Khoshnevis zeigte schnell die Vorteile der additiven Fertigung im Bauwesen auf: geringere Kosten und weniger Abfall, schnellere Produktion, weniger Arbeitsunfälle und die Möglichkeit, komplexe Formen zu erstellen. Seine Forschung war der Beginn des 3D-Drucks im Bauwesen und ebnete den Weg für den 3D-Druck von Häusern.

Die führenden Unternehmen der Baubranche beginnen, sich des immensen Potentials der 3D-Technologien und ihrer Auswirkungen auf die Zukunft des Bauwesens voll bewusst zu werden. Laut einer aktuellen Marktstudie von Precedence Research wird der Markt für 3D-Druck im Bauwesen bis zum Jahr 2034 auf 1.418.160 Millionen US-Dollar anwachsen, bei einem jährlichen Wachstum von 65 %. Diese Expansion kommt nicht von ungefähr: Immer mehr Unternehmen übernehmen diese Technologie, um Projekte zu entwickeln. Einige dieser Projekte sehen futuristisch aus, während andere bereits realisiert wurden, wie das größte 3D-gedruckte Gebäude der Welt in Saudi-Arabien mit einer Höhe von 9,9 Metern. Der 3D-Druck im Bauwesen schreitet mit großer Geschwindigkeit voran und integriert verschiedene Technologien und Materialien, die zahlreiche Vorteile bieten. Doch was bedeutet diese Technologie wirklich? Welche Vorteile bietet sie für die Branche? Wie sehen die Zukunftsaussichten aus? Lesen Sie in diesem Artikel weiter, um mehr zu erfahren.

Großflächige industrielle Betondrucker können ganze Hausstrukturen autonom erstellen.

Welche 3D-Druckverfahren sind derzeit in der Baubranche verfügbar?

Roboterarm-Extrusion

Das Contour Crafting-Verfahren markiert die Anfänge des 3D-Drucks in der Baubranche. Bei diesem Verfahren werden Baumaterialien zu einem 3D-Modell aufgetragen, sodass Strukturen in großem Maßstab mit einer glatten Oberflächenbeschaffenheit erstellt werden können. Um den Boden des Gebäudes werden Schienen verlegt, die als Führung für den Roboterarm dienen. Dieser Arm bewegt sich vor und zurück, um den Beton Schicht für Schicht aufzutragen. Feste Paletten, die auf beiden Seiten und über der Düse angebracht sind, flachen die extrudierten Schichten ab und sorgen so für eine ausreichende Festigkeit. Herkömmlicher Beton könnte in diesem Prozess nicht verwendet werden, da er sein eigenes Gewicht nicht tragen könnte. Daher wird ein spezieller Beton verwendet, der schneller aushärtet und eine schnellere Konfiguration ermöglicht.

Die Verwendung eines Roboterarms.

Die von den verschiedenen Akteuren der Branche verwendeten und entwickelten Technologien sind recht ähnlich und basieren alle auf demselben Grundprinzip: der Extrusion von Materialien. So hat beispielsweise das Unternehmen Constructions-3D in Frankreich eine mobile Polarmaschine entwickelt, die direkt auf der Baustelle, im Herzen des entstehenden Gebäudes, drucken kann. Diese Maschine, die leicht transportiert und angepasst werden kann, besteht aus einer mechanischen Basis und einem Roboterarm, der mit einer vom Unternehmen entwickelten Extruderdüse ausgestattet ist. Dieser Arm bietet eine Druckfläche von 150 m² mit einer Druckhöhe von bis zu 7 Metern.

Einige Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, andere Materialien als Beton zu extrudieren, wobei sie das gleiche technologische Prinzip beibehalten. Ein Beispiel ist das patentierte Verfahren BatiPrint 3D, das dank der Zusammenarbeit zwischen der Universität Nantes, Bouygues Construction und Lafarge Holcim entwickelt wurde. Dieser Industrieroboter bringt direkt vor Ort drei Materialschichten auf: zwei Schichten aus expandierendem Polymerschaum und eine Schicht Beton. Benoit Furet, Professor an der Universität Nantes, erklärt: „Der Schaumstoff sorgt für Wärme- und Schalldämmung, während der Beton die Struktur verstärkt und sie damit erdbebensicher macht“.

Entwicklung der additiven Fertigungstechnologie BatiPrint, einem französischen Unternehmen mit dem Ziel Häuser 3D zu drucken.

Sandschichten-Methode

In Europa hat der Italiener Enrico Dini mit seinem 3D-Drucker D-Shape ein Verfahren entwickelt. Dieses System beruht auf der Verwendung von Pulver, das durch ein Bindemittel in Form von „Tinte“ verfestigt wird. Bei diesem Verfahren werden Schichten aus Sand oder Granulat in der gewünschten Dicke aufgetragen, dann gibt ein Druckkopf mit 300 Düsen Tröpfchen des Bindemittels ab und härtet so den Sand aus. Die Maschine, die eine kubische Form hat und 4 x 4 Meter misst, kann große Strukturen von bis zu 6 Kubikmetern schaffen.

3D-Metalldruck für solide Strukturen

Das niederländische Unternehmen MX3D hat mit WAAM (Wire Arc Additive Manufacturing) eine innovative Konstruktionsmethode entwickelt, mit der Metallstrukturen mithilfe eines 6-Achsen-Roboters hergestellt werden können. Dieser Roboter legt 2 kg Material pro Stunde ab, wodurch sich diese Technik besonders für komplexe und detaillierte Schweißarbeiten für Metallstrukturen in der Architektur eignet.

Bei der Entwicklung ihrer Technologie hat MX3D mit Air Liquide und ArcelorMittal zusammengearbeitet. Der Roboter ist mit einem Schweißgerät und einer Düse ausgestattet, mit der Metallstäbe Schicht für Schicht geschweißt werden können. Das Verfahren ist mit einer Vielzahl von Metalllegierungen kompatibel, z. B. Edelstahl, Bronze, Aluminium oder Inconel. Kurz gesagt, es handelt sich um einen „Riesenschweißer“: „Wir haben einen Industrieroboter mit einer Schweißmaschine kombiniert und ihn so in einen 3D-Drucker verwandelt, der mit unserer eigenen Software arbeitet“, erklärte das Team.

MX3D ist eines von mehreren innovativen Start-ups im Bereich Häuser-3D-Druck.

Warum sollte man 3D-Druck im Bauwesen einsetzen?

Einer der Hauptvorteile des 3D-Drucks von Beton ist, dass er eine erhebliche Zeitersparnis mit sich bringt. Tatsächlich kann der 3D-Druck die Bauzeit um bis zu 70 % verkürzen und gleichzeitig die Risiken und Unfälle auf Baustellen verringern. Benoit Furet erklärt: „Die Verringerung der Schwierigkeiten und Risiken ist eine Realität, wir bauen 3,8 m hohe Wände ohne Gerüst. Außerdem stellen wir fest, dass die Baustelle sehr leise ist“. So gelang es seinem Team, ein 95 m² großes Haus in 3D zu drucken, das das erste 3D-gedruckte Sozialhaus in der Stadt sein wird. Seiner Meinung nach erleichtert die BatiPrint-Technologie auch die kostengünstige Erstellung von Kurvenformen und bietet eine Automatisierung der Arbeit: Der 3D-Drucker läuft kontinuierlich bis zum Ende des Projekts, wodurch die Wartezeiten erheblich reduziert werden.

Ein weiterer Vorteil des Einsatzes von 3D-Druck im Bauwesen liegt in der geringeren Verwendung von Materialien im Vergleich zu herkömmlichen Baumethoden. Im Gegensatz zu subtraktiven Verfahren führt die schrittweise Hinzufügung von Materialien zu einer geringeren Umweltbelastung und erzeugt nur sehr wenig Abfall, was hauptsächlich auf die topologische Optimierung zurückzuführen ist. Romain Duballet, Mitbegründer von XtreeE, betont: „Mit einer geometrischen Kontrolle ist es möglich, optimierte Formen zu entwerfen, die die Menge der benötigten Materialien reduzieren.“ Dieser Vorteil ist umso relevanter, wenn man bedenkt, dass Beton nach Wasser eine der am meisten genutzten Ressourcen auf der Erde ist.

Von der französischen Firma XtreeE geschaffene Struktur.

Zu den größten Herausforderungen des 3D-Drucks im Bauwesen gehört das Fehlen klarer Normen für die Zertifizierung gedruckter Strukturen. Axel Thery, Leiter des Unternehmens Constructions-3D, erklärt: „Die größten Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass der 3D-Druck noch nicht als Baumethode anerkannt wird, die den aktuellen Codes und Normen entspricht. Da die gedruckten Strukturen nicht traditionell sind, ist es schwierig, ihre langfristige Belastbarkeit zu beurteilen. Deshalb müssen Gebäude, die für Wohnzwecke bestimmt sind, anfangs schrittweise getestet werden“.

Einige Länder beginnen jedoch, die Entwicklung von Standards zu erwägen, um diese Technologie in den Bausektor zu integrieren. In Dubai beispielsweise planen die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate, bis 2030 25 % der neuen Gebäude mithilfe der 3D-Technologie zu errichten.

Einerseits hat die additive Fertigung viele neue Arbeitsplätze geschaffen, aber wie sieht es mit den Arbeitnehmern im Baugewerbe aus? Könnten der 3D-Druck von Häusern und die Automatisierung des Bauprozesses viele Arbeitsplätze überflüssig machen? Welche Fähigkeiten werden erforderlich sein, um einen 3D-Drucker auf einer Baustelle zu bedienen? Experten für 3D-Druck von Beton sind sich einig, dass die Technologie Berufe verändern wird, ohne sie zu eliminieren. Wir erleben eine Veränderung der Berufsprofile. Benoit Furet erklärte: „Die Berufe werden sich verändern, vom Architekten zum Maurer, der zum Maureroperator wird. Letztendlich wird der gesamte digitale Prozess vereinfacht, und die Baufachleute werden die Rollen von digitalen Maurern und Robotersteuerern einnehmen.“

Wird der 3D-Druck von Häusern die derzeitige Arbeit verändern?

3D-Druck von Häusern: Eine Lösung für die Immobilienkrise?

Der 3D-Druck könnte durch die Möglichkeit, Strukturen schneller zu erstellen, eine ideale Lösung für die Wohnungskrise bieten, indem er erschwingliche und schneller gebaute Wohnungen anbietet. Einige Unternehmen haben die Technologie bereits zu diesem Zweck eingesetzt, wie z. B. das italienische Unternehmen WASP, das mithilfe des 3D-Drucks eine nachhaltigere Welt errichten möchte. Das Unternehmen hat einen der größten 3D-Drucker der Welt entwickelt, der Häuser unter Verwendung lokaler Materialien und erneuerbarer Energiequellen wie Solar-, Wind- und Wasserkraft bauen kann. Dies würde es sogar Regionen ohne Zugang zu Elektrizität ermöglichen, umweltfreundliche Strukturen unter Verwendung lokaler Ressourcen zu schaffen.

WASP 3D Drucker arbeiten daran eine Zukunft zu schaffen, in der umweltfreundliche Materialien 3D gedruckte Häuser schaffen.

Mehrere Länder ziehen den 3D-Druck als Lösung für die Wohnungskrise in Betracht. In Chile zum Beispiel wurde kürzlich das Projekt Casa Semilla ins Leben gerufen, das aus einer Zusammenarbeit zwischen der Bio-Bio-Universität und der ANID hervorgegangen ist. Diese Initiative kommt zu einer Zeit, in der mehr als eine halbe Million Menschen in dem Land unter Wohnungsmangel leiden. Das in nur 29 Stunden gebaute Haus ist sowohl erdbebensicher als auch nachhaltig und kann an die verschiedenen Regionen Chiles angepasst werden und bietet somit eine innovative und erschwingliche Antwort auf das Wohnungsproblem.

Während die additive Fertigung eine Lösung für die Wohnungskrise auf der Erde bieten könnte, könnte sie auch eine Schlüsselrolle bei der Erforschung des Weltraums spielen, insbesondere indem sie den Bau von Häusern im Weltraum ermöglicht. Diese Idee wurde bereits im Rahmen der „3D Printed Habitat Challenge“ der NASA erforscht, bei der es darum ging, Technologien zu entwickeln, die den Bau von Lebensräumen auf dem Mond oder Mars ermöglichen. Es sind jedoch noch viele Hürden zu überwinden, bevor gedruckte Strukturen im Weltraum zu sehen sind.

3D-Druckprojekt auf dem Mond.

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Alexander H.: Seit 2016 bin ich Teil des 3Dnatives Teams. Das Interesse für den 3D-Druck entwickelte ich, als ich erfahren habe, welche unglaublichen Möglichkeiten hinter dieser technologischen Revolution stecken und dass das volle Potential noch lange nicht ausgeschöpft ist. Diese Entwicklung zu verfolgen und aktiv mitzugestalten ist sehr aufregend. Neben meinen Interessen für Technik und Wirtschaft bin ich großer Film- und Sportfan.

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  • Mein Onkel würde sich gerne Betonfertigteile produzieren lassen. Es ist gut zu wissen, dass man mit einem 3D-Drucker nicht nur Zeit, sondern auch Kosten spart. Ich hoffe, dass wir eine passende Firma finden werden.

  • Ich bin fasziniert davon, dass es mit der 3D-Technologie auch möglich ist, Häuser zu bauen. Ich habe mal gesehen, wie die speziellen Kranarbeiten für Hochbau so ein Haus automatisiert gebaut hat. Ich bin gespannt, wie sich die Technologie diesbezüglich noch entwickelt.

  • Vielen Dank für den sehr spannenden Beitrag. Ich finde den 3D-Betondruck faszinierend. Auch, weil direkt im Drucker ein Art-Kransystem eingebaut ist. Ich studiere Architektur und frage mich, wie die Zukunft im Bauwesen wohl aussehen wird. Danke für die Informationen.

  • Vielen Dank für den Beitrag. Ich finde es sehr tolle Vorstellung, dass bald Häuser auch 3D gedruckt werden könnten und wie sich das positiv auf den Sozialbau auswirken könnte. Sehr interessant, wie das sich auf die Häuser auswirken würde. Mein Freund ist Handwerker und hat sich auf Rissverpressungen spezialisiert. Er füllt die entstandenen Risse im Beton mit Injektionsharzen. Es wäre auch spannend, wie sich sein Beruf in Zukunft ändern würde und ob überhaupt noch diese Baufehler passieren würden.

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