Viele Teile sind nach dem 3D-Druck nicht direkt einsatzbereit und je nach gewähltem Druckverfahren muss eine anschließende Reinigung und Nachbearbeitung der Teile erfolgen. Auf diese Weise können die mechanischen Eigenschaften des Objekts verbessert werden oder die Oberflächenbeschaffenheit verfeinert werden. Es gibt eine Vielzahl von Techniken, die dafür infrage kommen, jedoch sind sie immer von der Drucktechnologie, dem Material und der Anwendung abhängig. Unter den Methoden für die Oberflächenbehandlung von Kunststoffteilen erfreut sich das chemische Glätten immer größerer Beliebtheit.
Dabei handelt es sich um ein physikalisch-chemisches Verfahren, wodurch die Oberfläche von Thermoplasten verdichtet und geglättet wird. Per Dampfzufuhr wird die Chemikalie auf das Bauteil aufgetragen, weshalb das Verfahren auch vapor smoothing genannt wird. Je intensiver und länger die chemische Behandlung erfolgt, desto glänzender und glatter ist das 3D-gedruckte Teil. Doch wie funktioniert das und was gibt es dabei zu beachten?
Chemisches Glätten ist ein Nachbearbeitungsverfahren, um glatte Oberflächen bei 3D-gedruckten Teilen zu erzielen. (Bild: Xometry)
Wie funktioniert chemisches Glätten?
Das Prinzip des chemischen Glättens besteht darin, dass die oberste Druckschicht durch die Dampf-Chemikalien-Einwirkung wieder verflüssigt wird, und sich die Oberlächenmoleküle neu anordnen, sodass sich die Oberflächenstruktur verbessert. Der Vorgang erfolgt in einer hermetischen, beheizten Kammer, in der die 3D-gedruckten Teile platziert werden. Das gewählte chemische Lösungsmittel wird dann erhitzt und der Dampf durch ein Zufuhrsystem in die Kammer geleitet. Dort kondensiert der Chemikalien-Dampf an der Oberfläche der Bauteile und setzt eine Reaktion in Gang, wodurch die oberste Schicht der Teile teilweise schmilzt. Dieser Effekt führt dazu, dass raue Stellen oder Poren ausgeglichen werden und eine ausgeglichene, glatte Oberfläche zurückbleibt.
In Vapor Smoothing Anlagen ist diese Glättungskammer bereits integriert. Der Nachbearbeitungsvorgang läuft dort automatisch in mehreren Schritten ab. Nach dem Erhitzen der Teile, dem Hinzufügen des Lösungsmittels und der chemischen Schmelze wird das Lösungsmittel dort automatisch abgesaugt, sodass keine Rückstände auf den Bauteilen bleiben. Auch die Trocknung der Teile erfolgt direkt in der Maschine.
Das beste Ergebnis lässt sich erzielen, indem die verschiedenen Bauteile sich nicht berühren und auf einem Gitter platziert oder aufgehängt werden. So kann sichergestellt werden, dass die chemische Behandlung von allen Seiten erfolgt und ein homogenes Ergebnis folgt. Nun weisen gerade additiv gefertigte Teile häufig komplexe Geometrien auf, die das Aufhängen und Platzieren erschweren. In diesem Fall müssen je nach Bauteilgeometrie temporäre Ösen angebracht werden, oder sogar Aufhängungen im Designprozess mitgedacht werden. Diese können anschließend an das chemische Glätten entfernt werden.
Die 3D-gedruckten Teile werden in der Kammer aufgehängt. (Bild: DyeMansion)
Kompatibilität mit Drucktechnologien und Materialien
Chemisches Glätten ist eine Nachbearbeitungsmethode für thermoplastische Materialien. Das heißt, die Technik ist mit einer Vielzahl an Materialien kompatibel – darunter PA, ABS, PC, PLA, PP, TPU, PETG –, die in verschiedenen 3D-Drucktechnologien verarbeitet werden können. Besonders geschätzt wird das Verfahren für SLS- oder MJF-Teile, welche nach dem Druck eine raue Oberfläche aufweisen. Aber auch Bauteile, die per FDM gefertigt wurden, können per vapor smoothing nachbearbeitet werden.
Je nach Material werden verschiedenen Chemikalien eingesetzt, um das bestmögliche Resultat zu begünstigen. So werden für ABS und ASA Acetone empfohlen, für PLA hingegen Trahydrofuran (THF). Für ABS, PETG und PC können auch Methyl Ethyl Ketone (MEK) zum Einsatz kommen.
Vapor smoothing ist für Teile aus vielen unterschiedlichen Materialien möglich. (Bild: Protolabs)
Vorteile und Anwendungen
Der größte Vorteil des chemischen Glättens ist, dass dadurch 3D-gedruckte Komponenten so behandelt werden können, dass sie in ihrer Oberflächenqualität und Ästhetik denen von Spritzguss-Teilen gleichkommen. Die Optik und Haptik sind zwei ausschlaggebende Argumente für das vapor smoothing, denn Höhen und Tiefen in der Oberfläche können dadurch ausgebessert werden, sodass gleichmäßige und glatte Flächen entstehen. Diese begünstigen wiederum die Reinigung der Bauteile und somit die Hygiene. Chemisch geglättete Bauteile sind resistenter gegen Verschmutzung und Bakterienbefall, was ein weites Anwendungsfeld der behandelten Bauteile ermöglicht.
Darüber hinaus können durch chemisches Glätten auch die Bauteileigenschaften verbessert werden. Sie zeichnen sich nach der Behandlung durch eine erhöhte mechanische Stabilität, erhöhte Biege- und Zugfestigkeit und verbesserte Gleitfähigkeit aus. Insbesondere bei Teilen mit dünnen Wänden kann dieser Vorteil genutzt werden, da sich die Reduktion der Porosität während des Glättens positiv auf die mechanische Belastbarkeit auswirkt.
Durch die Aufschmelzung und anschließende neue Versiegelung der obersten Schicht werden die Bauteile durch vapor smoothing auch wasserabweisend und chemikalienresistent, was insbesondere für flüssigkeitsführende und abdichtende Teile relevant ist. Die glatten Oberflächen begünstigen auch das anschließende Einfärben oder Lackieren und sorgen für eine gleichmäßige Färbung.
Die Oberflächenbeschaffenheit von 3D-gedruckten Teilen kann durch chemisches Glätten wesentlich verbessert werden. (Bild: ASM)
Auch der Kostenpunkt sollte genannt werden, denn chemisches Glätten ermöglicht im Vergleich zu anderen Nachbearbeitungsmethoden schnelle und kostengünstige Ergebnisse. Vapor smoothing ist effizient und flexibel und eröffnet durch seine Kompatibilität mit einer großen Bandbreite an Thermoplasten ein weites Feld an Anwendungsmöglichkeiten. So können die geglätteten Bauteile Spritzguss-Teile ersetzen und sowohl als Prototypen als auch Serienteile eingesetzt werden.
Die oben angemerkte abdichtende Oberfläche ist etwa relevant bei flüssigkeitsführenden Komponenten, zum Beispiel für Kanäle, Leitungen und Teile für fluidmechanische Tests. Verbunden mit den verbesserten mechanischen Eigenschaften der Teile, ist das Verfahren daher interessant für Bauteile, die im Maschinenbau, in der Automobilindustrie, aber auch in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt werden.
Die verbesserte Hygiene spielt hingegen eine zentrale Rolle im medizinischen Umfeld und chemische geglättete Teile können den Standards in Medizin, Zahnmedizin, aber auch in der Lebensmittelindustrie gerecht werden. Auch Designanwendungen profitieren von dieser Nachbearbeitungsmethode, denn die glatten, homogenen Oberflächen mit glänzendem Finish sorgen für eindrucksvolle Sichtteile.
Die geglätteten Teile werden in verschiedenen Industrien eingesetzt. (Bild: ASM)
Einschränkungen
Wenngleich chemisches Glätten zahlreiche Vorteile bietet, die den Weg für vielzählige Anwendungen ebnen, gilt es auch, einige Einschränkungen zu nennen. Tatsächlich gibt es – wie bei jedem Verfahren – einige Punkte zu beachten, die das Ergebnis beeinflussen. Um ein optimales Resultat zu erzielen, müssen die Bauteile in der Glättungskammer richtig platziert werden. Wie eingangs erwähnt sind natürliche Kerben und Haken in der Geometrie des Bauteils vom Vorteil, ansonsten müssen Ösen oder Aufhängungen hinzugefügt werden. Eventuell hinterlassen diese dann aber Spuren am Bauteil und mindern seine Qualität.
Darüber hinaus sollten die Bauteile nicht zu dünn ausfallen, denn chemisches Glätten eignet sich nicht für Teile mit einer Wandstärke unter 1-2 mm. Auch wenn der Verzug der Teile bei unter 0,4 % liegt, kann es bei großen und flachen Objekten zu Verzerrungen und Verzugseffekten durch die chemische Dampfbehandlung kommen.
Zu guter Letzt sei anzumerken, dass das Hantieren mit Chemikalien immer ein gewisses Risiko birgt. Die richtige Handhabung und gewissenhaftes Vorgehen sind für die eigene Sicherheit entscheidend.
Vor dem Glätten (links) und nach dem Glätten (rechts). (Bild: ATM)
Anbieter von Lösungen für chemisches Glätten
Auch wenn sich chemisches Glätten für die Nachbearbeitung von 3D-gedruckten teilen immer größerer Beliebtheit erfreut, ist die Liste an Maschinenanbietern für das Verfahren überschaubar. Als Pionier gilt der britische Hersteller AMT, der mit seiner Anlage PostPro SFX eine leistungsstarke Desktop-Lösung im Sortiment führt. Die Maschinen PostPro SF Pure und PostPro SF PP richten sich hingegen an industrielle Nutzer. Auch DyeMansion zielt mit seiner Powerfuse S-Serie auf automatisiertes vapor smoothing für industrielle Anwendungen ab.
Das deutsche Startup ASM hat sich ebenfalls auf Lösungen für chemisches Glätten spezialisiert. Mit dem VX1 bietet das Unternehmen eine schnelle Nachbearbeitungslösung mit Zyklen von 1,5 bis 2 Stunden.
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*Titelbildnachweis: Kingroon