Wie wir wissen, ist der Markt der additiven Fertigung sehr dynamisch. Zahlreiche Unternehmen wollen sich mit ihrem Ansatz positionieren und bieten leistungsstarke Hard- und Software an, um Herausforderung in AM zu bewältigen. Mittlerweile gibt es daher eine große Bandbreite an innovativen Technologien und ein umfangreiches Spektrum an AM-Materialien. Diese öffnen die Pforten für immer mehr mögliche Anwendungen in unterschiedlichen Sparten. Mit der zunehmenden Professionalisierung des 3D-Drucks und seinem Einzug in Hochleistungssektoren steigen jedoch auch die Anforderungen. So wird die Nachfrage nach zuverlässigen Multi-Material-Lösungen immer lauter. Ein Unternehmen, das sich darauf spezialisiert hat, ist AMAREA Technology. Das deutsche Startup entwickelt industrielle 3D-Drucker, die mehrere Materialien gleichzeitig verarbeiten können, sowie die passenden Druckmaterialien. Mit seiner Technologie, dem Multi Material Jetting, möchte AMAREA Technology sowohl bestehende als auch neue Anwender für die additive Multi-Material-Fertigung begeistern, und verfolgt das große Ziel, gemeinsam mit seinen Kunden ressourceneffizienter zu produzieren und die Zukunft der Fertigung aktiv mitzugestalten. Im Interview mit den Gründern sprachen wir über die Anfänge des Unternehmens, die Motivation zur Gründung, die Multi Material Jetting-Technologie und deren Vorteile.
3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und erzählen, wie Sie zum 3D-Druck gekommen sind?
AMAREA Technology ist Systementwickler und -hersteller von additiven Fertigungsmaschinen für industrielle Anwendungen, die Hochleistungswerkstoffe wie technische Keramiken, Metalle, Verbundwerkstoffe aber auch Polymere verarbeiten und vor allem in einem Druckprozess kombinieren können und damit die noch recht neue Sparte des Multi-Material-3D-Drucks adressieren. Das Unternehmen hat drei Gründungsgesellschafter, bestehend aus Steven Weingarten (CEO), Lutz Gollmer (COO) und Robert Johne (CTO). Steven Weingarten und Robert Johne haben beide einen werkstoffwissenschaftlichen und Herr Gollmer einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Unser Ursprung liegt in der angewandten Forschung. Alle Gründer waren jahrelang am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) tätig, in der die Technologie des Multi Material Jettings ab 2014 von Herrn Weingarten entwickelt und mit Unterstützung des vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima BMWK initiierten Forschungstransfers-Programms EXIST ab 2021 kommerzialisiert wurde.
Das Team von AMAREA Technology v.l.n.r.: Steven Weingarten (co-Founder, CEO & Managing Partner), Robert Johne (co-Founder + CTO), Philipp Horn (Angestellter), Lutz Gollmer (co-Founder, COO & Managing Partner)
Der Weg zum (Multi-Material)-3D-Druck begann im Jahr 2014 am Fraunhofer IKTS, als Steven Weingarten noch als Student vor der Herausforderung stand, verschiedene technische Keramiken miteinander zu kombinieren und dies gleichzeitig mit einer Formfreiheit, wie sie herkömmliche Herstellungsverfahren wie z. B. der keramische Spritzguss nicht hergeben, umzusetzen. Die damals schnellste und vermutlich unkonventionellste Lösung war es, nachdem auf dem Markt keine kommerziell erhältliche Technologie zur Verfügung stand, eine eigene Technologie zu entwickeln, die damals unter dem Namen „Thermoplastic 3D-Printing – T3DP“ startete. Nach erfolgreichen Versuchen mit Oxidkeramiken und später der Kombination Edelstahl mit Zirconiumoxid, wurde ein auf Mikrodosiersystemen basierendes Anlagenkonzept entwickelt und folgend im EU-Projekt CerAMfacturing das Material- und Prozessverständnis dieser neuen Technologie signifikant erweitert. 2017 konnten so erstmalig Bauteile bestehend aus bis zu vier unterschiedlichen Materialien gefertigt werden. Auch Sintergläser mit verschiedenfarbig lumineszierend Partikeln die unter Lichteinwirkung nachleuchten oder endkonturnahe Werkzeugrohlinge aus Hartmetall, deren mechanischen Eigenschaften den konventionell gefertigten Komponenten in nichts nachstehen, konnten so umgesetzt werden.
3DN: Wie kam es zur Gründung von AMAREA und was sind eure Ziele?
Der Erfolg der ersten Versuche und die Faszination für diese Technologie – insbesondere das Potential, Funktionalität direkt in Bauteile zu integrieren und diese auch zu miniaturisieren – führte dazu, die Technologie breiter aufzustellen und von der Forschung in die Anwendung zu bringen. Bei Fraunhofer passiert dies üblicherweise über den Mechanismus der Technologieverwertung. So konnte die nun unter dem Namen Multi Material Jetting (MMJ) entwickelte Technologie entweder über die Lizensierung bzw. den Verkauf an etabliertes Unternehmen in den Markt finden, oder z. B. über den Weg eines Spin-offs, in dem ein auserwähltes Team aus dem Fraunhofer IKTS den Schritt der Kommerzialisierung der Technologie in die eigenen Hände nahm. Mit dem erfolgreichen Einwerben des Forschungstransfer-Programms EXIST des BMWK, der positiven Evaluierung in der Transferphase und dem Aushandeln der Lizenzen aus der Fraunhofer Gesellschaft heraus, begann unsere Geschichte, um die MMJ-Technologie in ein von Fraunhofer losgelöstes Startup zu überführen. Die Resonanz zur MMJ-Technologie aus der Industrie ermutigte die Gründer von Beginn an, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen und so wurde AMAREA Technology am 3. Februar 2023 in Dresden gegründet.
Als junges Unternehmen bringen wir nicht nur frischen Wind in den Markt, sondern verstehen uns als technologiegetriebener Innovationspartner – weit über die Rolle eines klassischen Hardware-Lieferanten hinaus. Unser Ziel ist es, die additive Fertigung mit Multi-Material-Technologien auf das nächste Level zu heben. Dafür bieten wir ein ganzheitliches System bestehend aus 3D-Druckern, maßgeschneiderten Werkstoffen und begleitenden Services entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Machbarkeitsanalyse über die Werkstoffauswahl und Designentwicklung bis hin zur Prozessintegration.
Der Multi-Material-3D-Drucker MMJ ProX6L verarbeitet bis zu sechs verschiedene Materialien in einem Druckprozess.
Mit unserer Multi Material Jetting (MMJ) Technologie ermöglichen wir den industriellen 3D-Druck funktionaler Bauteile aus bis zu sechs verschiedenen Materialien – in einem einzigen, automatisierten Druckprozess. So lassen sich mechanische, elektrische, thermische oder optische Eigenschaften in einem Bauteil gezielt kombinieren. Das eröffnet völlig neue Anwendungsfelder in Branchen wie Elektronik, Luft- und Raumfahrt oder Energietechnik. Unsere Vision: Unseren Teil dazu beizutragen, den 3D-Druck zum Innovationstreiber für eine neue Generation technischer Produkte zu machen. Wir wollen Herstellern, Designern und vor allem Entwicklern ein Werkzeug an die Hand geben, um nachhaltige, intelligente und leistungsstarke Bauteile bis hin zu Baugruppen zu entwickeln, die heute entweder noch als unmöglich gelten oder nur mit erheblichen Mehraufwand zu fertigen sind und damit einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen industriellen Produktion leisten.
3DN: Wie funktioniert die MMJ-Technologie?
MMJ ist eine zukunftsorientierte Additive Manufacturing-Technologie, bei der thermoplastische Materialien zum Einsatz kommen. Es steht sozusagen komplementär zu etablierten Fertigungsverfahren wie dem Spritzguss, weist aber deutlich mehr Gestaltungsfreiheit auf und bringt eine größere Materialkombinationsfreiheit mit. Statt Material in komplexe Formwerkzeuge zu spritzen, arbeitet MMJ ähnlich wie ein Tintenstrahldrucker – jedoch mit hochpräzisen, partikelgefüllten Tropfen im Nanoliterbereich. Diese Tropfen bestehen aus thermoplastischen Polymeren, die mit funktionalen Werkstoffen wie Keramiken, Metallen, Gläsern oder Verbundmaterialien, welche in Pulverform vorliegen, gefüllt sind. Das Material wird im festen Zustand in ein Materialreservoir gegeben, dort lokal aufgeschmolzen und über die Druckköpfe selektiv als Einzeltropfen abgelegt. Beim „Jetten“ der Tropfen verschmelzen diese sofort miteinander und erstarren innerhalb von Millisekunden. Das Besondere: Durch die tropfenweise Materialablage können werkstoffklassenübergreifende Materialien präzise und selektiv abgelegt und so innerhalb komplexer Geometrien kombiniert werden – strukturell getrennt oder funktionell gradiert übergehend.
Das Ergebnis: multifunktionale Bauteile mit maßgeschneiderten Eigenschaften, hergestellt in nur einem Fertigungsschritt. Dabei wird nur so viel Material verwendet, wie tatsächlich benötigt wird – ein klarer Vorteil in puncto Ressourceneffizienz. Die MMJ-Technologie ist in der Lage Prozesskennwerte wie Tropfendurchmesser und -höhe präzise zu parametrieren: Tropfendurchmesser von 200 bis über 1000 µm sowie Schichthöhen von 80 bis 500 µm lassen sich individuell anpassen – sogar während des laufenden Druckprozesses. So wird eine geometrie- und funktionsspezifische Materialdosierung möglich. Die gedruckten Grünlinge lassen sich direkt von der Bauplattform entnehmen und der thermischen Weiterverarbeitung (in Form einer Entbinderung und Sinterung) zuführen, sodass am Ende Bauteile mit finalen technischen Eigenschaften entstehen. Kurz gesagt: MMJ vereint Material, Funktion und Form in einem einzigen, digitalen Prozess – effizient, skalierbar und bereit für den industriellen Einsatz.
Das Material-Portfolio von AMAREA Technology. Von Oxid-, Nitrid- und Karbidkeramiken über gesinterte Gläser, Glaskeramiken, Hartmetalle und Cermets bis hin zu Metallen, Polymeren und partikelgefüllten Polymeren – das Spektrum an verarbeitbaren Werkstoffen ist breit gefächert.
3DN: Was sind die größten Vorteile der Technologie? Wer profitiert besonders davon?
Die größten Vorteile sind folgende:
- Materialvielfalt & Funktionalität: Verschiedene Werkstoffe – z. B. Metalle, Keramiken, Gläser – lassen sich zum einen auf ein und demselben 3D-Drucker verarbeiten, aber auch, wenn die Materialien co-sinterfähig sind, in einem einzigen Druckprozess kombinieren. So entstehen multifunktionale Bauteile mit maßgeschneiderten Eigenschaften.
- Präzision & Ressourceneffizienz: Das tropfenweise Aufbringen ermöglicht höchste Präzision und Ressourceneffizienz: Material wird nur dort abgelegt, wo es funktional gebraucht wird – ressourcenschonend und effizient.
- Designfreiheit & Komplexität: Ob Funktionalisierung bei gleichzeitiger Miniaturisierung, gradierte Übergänge, definierte Porositäten, verschiedene Materialien und Farben oder komplexe Geometrien mit feinen Strukturen und nahtlose Materialübergänge, mit der MMJ-Technologie werden Hochleistungswerkstoffe in Form gebracht.
- Digital & Werkzeuglos: Der gesamte Druckprozess ist digital steuerbar und ermöglicht eine flexible, schnelle und individualisierte Fertigung – ideal für Prototypen, Kleinserien, Funktionsbauteile und Baugruppen. Der integrierte Profilsensor sorgt für die notwendige Qualitätssicherung.
- Produktiv & Innovation: Die MMJ-Technologie ist für zukunftsweisende Anwendungen konzipiert. Mono- und Multi-Material- Bauteile können mit bis zu sechs Druckköpfen gleichzeitig hergestellt werden. Der Wechsel zu einem völlig anderen Druckmaterial dauert weniger als eine Stunde, sodass das werkstoffklassenübergreifende Materialportfolio in kürzester Zeit genutzt werden kann. Bei Mono- Material-Bauteilen kann das Material im Falle eines Fehldrucks wiederverwendet werden.
Anwender, die besonders von unserer MMJ-Technologie profitieren, sind vor allem Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, Hersteller im Bereich Elektronik und Sensorik, die Luft- und Raumfahrt, die Automobilindustrie, die Medizintechnik und Individualisierung, sowie Startups und KMUs im Bereich Hochtechnologie. Kurzum: Überall dort, wo Innovation nicht nur in der Form, sondern vor allem in der Funktion gedacht werden muss und wo konventionelle Herstellungsverfahren an ihre Grenzen stoßen – sei es bei der Materialvielfalt, bei Geometriekomplexität, bei Funktionalität aber auch der Reduzierung der Anzahl an Fertigungsschritten – bringt MMJ den entscheidenden Vorsprung.
Links: Diese CAD-Grafik zeigt ein Beispiel für eine komplexe Multi-Material-Struktur mit integrierter Leiterstruktur z.B. für ein Heiz- oder Sensorlayout. Rechts: Beispiele für 3D-gedruckte Komponenten aus gezielt kombinierten Materialien für den Einsatz in der Elektronik (Von links nach rechts: Keramik + luminiszierende Keramik, LTCC + Silber, Glas + Reinkupfer, Keramik + Edelstahl.
3DN: Wo liegen Herausforderungen?
Wie jede innovative Schlüsseltechnologie steht auch das Multi Material Jetting vor spezifischen Herausforderungen:
- Materialentwicklung & -kompatibilität: Das Zusammenspiel verschiedener Hochleistungswerkstoffe in einem einzigen Fertigungsprozess erfordert tiefgehende materialwissenschaftliche Expertise. Jedes Material und jede Materialkombination bringen eigene Anforderungen an Rheologie, Sinterverhalten und anderen mit sich. Wir wissen um diese Herausforderung und haben eine ausgeprägte werkstoffwissenschaftliche Expertise im Haus.
- Standardisierung & Skalierbarkeit: Additive Multi-Material-Prozesse sind in vielen Industrien aber auch Forschungseinrichtungen noch Neuland. Entsprechend fehlen teilweise etablierte Normen, Prüfmethoden und Schnittstellen für eine Integration in bestehende Prozesse. Hier stehen wir für unseren Kunden beratend zu Seite.
- Anwender-Know-how & Umdenken: Die Potentiale der MMJ-Technologie lassen sich nur ausschöpfen, wenn Entwickler:innen frühzeitig „Multi-Material-gerecht“ denken. Das erfordert oft ein Umdenken in der Produktentwicklung und benötigt interdisziplinäres Wissen.
- Fehlende Ressourcen: Nach dem 3D-Druck folgen Entbinderung, Sinterung und ggf. weitere Prozessschritte wie eine Oberflächenbearbeitung. Die thermische Prozessierung muss dabei auf das gewählte Materialsystem abgestimmt sein und nicht jedem Kunden steht eine entsprechende Infrastruktur zur Verfügung, wenn es zur thermischen Prozessierung kommt. Hier stellt AMAREA Technology sein Partnernetzwerk zur Verfügung, um notwendige Ofentechnik zu erwerben oder als Dienstleistung zu nutzen.
3DN: Haben Sie noch ein paar abschließende Worte an unsere Leserschaft?
Unsere Vision ist es, dass unsere MMJ ProX 3D-Drucker und deren Nachfolger in verschiedensten Branchen fest etabliert sind. Dabei wollen wir nicht nur Systeme liefern, sondern gemeinsam mit unseren Kunden Lösungen für die Produkte von morgen entwickeln. In fünf Jahren sehen wir uns dort, wo die additive Fertigung mit mehreren Materialien nicht mehr nur ein Innovationsversprechen ist, sondern ein industrieller Standard für multifunktionale, intelligente und nachhaltige Bauteile.
Das Team von AMAREA Technology auf der Formnext.
Wir stehen in vielen Bereichen am Anfang einer technologischen Revolution, sei es das Quantencomputing, die Mobilität von Morgen oder eben auch die additive Fertigung. Gerade im AM-Bereich zählt dabei nicht mehr nur das „Was und Wie“, sondern vor allem das „Warum“. Mit unserer MMJ-Technologie wollen wir Unternehmen und Entwickler:innen dabei unterstützen, Produkte zu schaffen, die intelligenter, nachhaltiger und funktionaler sind als je zuvor. Dafür brauchen wir Neugier, Offenheit und starke Partner, die bereit sind in die Zukunft zu investieren – und genau hier setzen wir mit AMAREA Technology an. Wir laden alle ein, mit uns gemeinsam neue Wege in der additiven Fertigung zu gehen. Denn wir glauben: Die Zukunft entsteht dort, wo Materialien und Funktionen nicht getrennt, sondern integriert gedacht werden. Mehr zum Unternehmen finden Sie HIER.
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*Bildnachweise: AMAREA Technology GmbH, Titelbild: Leuchtende Keramiken und Gläser. Die beiden linken Bildreihen zeigen 3D-gedruckte Bauteile aus Zirkoniumoxid in Kombination mit einem luminiszierenden Material. Rechts sind strukturierte Bauteile aus leuchtfähigem Glas dargestellt, die ebenfalls für funktionale oder ästhetische Anwendungen eingesetzt werden können.