Künstliche Muskeln aus dem 3D-Drucker

Was haben Industrieanlagen, Automotoren und menschliche Muskeln gemeinsam? Im Prinzip handelt es sich bei allen drei um Aktoren. Das heißt, auf einen elektrischen Impuls folgt eine Bewegung. Im menschlichen Körper befinden sich rund 640 solcher Aktoren, nämlich Muskeln, die beinahe die Hälfte unseres Körpergewichts ausmachen. Ist ein Muskel verletzt oder geschwächt, beeinträchtigt dies unsere Handlungsfähigkeit, Beweglichkeit und unsere Lebensqualität. Künstliche Muskeln, die den echten in nichts nachstehen, könnten dieses Problem lösen und sind daher ein großes Ziel der Forschung. Das natürliche Vorbild stellt die Entwicklung von künstlichen Muskeln allerdings vor zahlreiche Herausforderungen, denn Muskeln müssen sowohl stark als auch elastisch und weich sein. Forscher der Empa – dem interdisziplinären Forschungsinstitut des ETH-Bereichs Materialwissenschaften und Technologie – haben mithilfe von 3D-Druck eine Lösung gefunden.

Ein Team des Empa-Labors für Funktionspolymere spezialisierte sich zunächst auf Aktoren, welche aus weichen Materialien bestehen. Diese dielektrischen, elastischen Aktoren setzten sich aus zwei Komponenten auf Silikon-Basis zusammen, die sich ineinander verschränken. Eines der Materialien leitet Elektroden, das zweite fungiert als nichtleitendes Dielektrikum. Um diese Kombination umzusetzen, nutzten die Forscher ein 3D-Druckverfahren. So gelang es, weiche und starke Aktoren aus  zu drucken, die wie Muskeln reagieren. Wird nämlich eine elektrische Spannung über die Elektroden zugeführt, zieht sich der Aktor wie ein biologischer Muskel zusammen und entspannt sich, sobald die Spannung nachlässt.

Patrick Danner vom Empa-Labor für Funktionspolymere.

Klingt einfach, war es aber nicht. Tatsächlich sahen sich die Empa-Forscher mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Damit sich der künstliche Muskel auf einen elektrischen Reiz hin verformt, muss er einerseits möglichst weich sein. Andererseits muss das Druckresultat stark genug sein, um sich nicht von selbst zu verformen. Um zwei Komponenten gleichzeitig zu drucken, sollten sich diese während des Druckprozesses auch ähnlich verhalten. Für den künstlichen Muskel waren jedoch ein leitendes und ein nichtleitendes Material nötig. Darüber hinaus sollten sich die Materialien beim Druck verflüssigen, danach erstarren, fest zusammenhalten, aber sich nicht vermischen. Ein unmögliches Unterfangen?  Patrick Danner vom Empa-Labor für Funktionspolymere schildert die Krux. „Diese Eigenschaften stehen oft in direktem Widerspruch zueinander,“ erklärt er und fährt fort: „Wenn man eine davon optimiert, verändern sich drei andere, meistens zum Nachteil.“

Wie ist es nun doch gelungen, alle wünschenswerten Eigenschaften zu vereinen? Der Schlüssel lag in einer übergreifenden Zusammenarbeit mit Forschenden der ETH Zürich. Tazio Plej und Jan Vermant von der ETH konzipierten eine Druckdüse, welche die von der Empa entwickelten Spezialtinten für die weichen Aktoren drucken kann. So konnten 3D-gedruckte künstliche Muskeln hergestellt werden, die das Greifen von Gegenständen simulieren.

Mikroskopie-Aufnahme der Struktur der künstlichen Muskelfaser.

Die Kollaboration zwischen den beiden Einrichtungen ist Teil des Projekts „Manufhaptics“ des ETH-Bereichs „Advanced Manufacturing“. Das Projekt zielt darauf ab, einen Handschuh zu entwickelten, der virtuelle Welten greifbar macht. Die künstlichen Muskeln sind ein erster Schritt auf diesem Weg.

3D-gedruckte Aktoren für vielfältige Anwendungen

Die weichen Aktoren aus dem 3D-Drucker eröffnen aufgrund ihrer Eigenschaften ein breites Anwendungsfeld. Sie sind leicht, geräuschlos und lassen sich per 3D-Druck in beliebige Formen drucken. Das macht sie interessant für die Robotik, den Maschinenbau oder den Automobilsektor.

Aber auch für den medizinischen Sektor bergen die 3D-gedruckten, weichen Aktoren ein großes Potential. Das Verfahren eignet sich nämlich nicht nur zum Druck von komplexen Strukturen, sondern auch für lange und elastische Fasern. Die Teams der Empa und der ETH Zürich beschäftigen sich derzeit damit, das volle Potential für den medizinischen Bereich zu erörtern. “Wenn wir sie noch etwas dünner machen, kommen wir der Funktionsweise von echten Muskelfasern schon recht nahe”, sagt Dorina Opris, Leiterin der Forschergruppe “Functional Polymeric Materials” and der ETH Zürich. Es ist also durchaus möglich, dass in naher oder ferner Zukunft ein ganzes Herz gedruckt werden kann. Sind die 3D-gedruckten künstlichen Muskeln der Grundstein dafür?

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*Bildnachweise: Empa

Astrid Z.:
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