Dass der 3D-Druck in der Luft- und Raumfahrt zu bahnbrechenden Neuheiten und Fortschritten beitragen kann, untermauern zahlreiche Beispiele aus den letzten Jahren. NASA und ESA experimentieren beständig damit, die Potentiale des 3D-Drucks im Weltraum auszuschöpfen und zahlreiche 3D-Druck-Unternehmen haben sich auf Hochleistungs-Anwendungen in der Raumfahrt spezialisiert. Nun betritt mit Künstlicher Intelligenz ein neuer Akteur die Bühne und wird bereits jetzt als der Revolutionär der Zukunft gehandelt. Wie die Verbindung aus KI und 3D-Druck zu fortschrittlichen Ansätzen und Ergebnissen führen kann, zeigt unter anderem das Beispiel von LEAP 71. Dem Unternehmen ist es gelungen, mit seinem auf KI-basierenden Software-Tool Noyron, einen 3D-gedruckten Flüssigtreibstoff-Raketenatrieb zu entwickeln und zu testen.
LEAP 71 ist ein in Dubai ansässiges Unternehmen, das zum Ziel hat, mithilfe von Computational Engineering den technischen Fortschritt zu befeuern. Das Unternehmen entwickelt High-Quality-Produkte für Luft- und Raumfahrt und Elektromobilität, aber auch Wärmetauscher und arbeitet mit internationalen Kunden zusammen. Für die Herstellung der Produkte setzt LEAP 71 auf hochentwickelte Software und die additive Fertigung, welche auch bei der Produktion des Raketentriebwerks zum Einsatz kam.
LEAP71 wurde von der Luft- und Raumfahrtingenieurin Josefine Lissner und dem Serienunternehmer Lin Kayser gegründet.
Ziel des Projekts war es, die Fähigkeiten der proprietären Noyron-Software unter Beweis zu stellen und das so erstellte Large Computational Engineering Modell des Antriebs zu testen. Noyron nutzt KI-Algorithmen, um logische und physikalische Prozesse im Fertigungsprozess automatisch umzusetzen. Anhand dieser Software war es möglich, das Modell für das TKL-5-Raketentriebwerk zu entwickeln – und zwar vollständig digital und computergesteuert ohne menschlichen Eingriff. Das hatte auch bemerkenswerte Auswirkungen auf die Produktionszeit. Indem keine Konstruktion per CAD erforderlich war, dauerte die Fertigung des Triebwerks nur zwei Wochen. Anschließend wurde es am 14. Juni 2024 in Wescott, Großbritannien, erfolgreich getestet und funktionierte bereits beim ersten Versuch.
Wenngleich LEAP 71 mit der Noyron-Software den größten Anteil am Erfolg des Raketentriebwerks einnimmt, holte sich das Unternehmen doch Unterstützung von weiteren Experten. Das Triebwerk selbst wurde von AMCM, einem deutschen Pionier für 3D-Metalldruck auf einem EOS M290 gedruckt. Als Material kam Kupfer zum Einsatz, denn dieses ermöglicht bei aktiver Kühlung sehr leistungsfähige Motoren. Ebenfalls beteiligt war das britische „Race to Space“-Team der Universität Sheffield, welches neben Feedback auch die Nachbearbeitung übernahm, bevor das Triebwerk auf dem Testgelände von Airborne Engineering erstmals getestet wurde. Alle Temperaturwerte und kritischen Parameter lagen beim Teststart im Rahmen und die Beteiligten konnten bestätigen, dass das Triebwerk intakt war und wie geplant funktionierte.
Das Triebwerk wurde aus Kupfer per 3D-Druckverfahren hergestellt.
Das Triebwerk wäre aufgrund seiner kompakten Größe als Endstufe einer Orbitalrakete geeignet. Es verfügt über eine Schubkraft von 5 kN beziehungsweise einer Auftriebsmasse von 500kg, sprich 20.000 PS. Zum Antrieb verwendet das Treibwerk – wie viele andere fortschrittliche Systeme – kyrogenen Flüssigsauerstoff und Kerosin. Diese Treibstoff-Kombination war trotz der schwierigen Handhabung eine bewusste Entscheidung von LEAP 71. Das Kerosin sorgt neben dem Antrieb nämlich auch dafür, das Triebwerk zu kühlen, wenn es durch dünne Kanäle gepresst wird und verhindert so das Schmelzen des Triebwerks. Obwohl die Verbrennungstemperatur der Treibstoffe bei 3000°C liegt, kann so die Oberfläche bei unter 250°C stabil gehalten werden.
Neben dem ausgeklügelten Kühlsystem haben die Ingenieure aber auch dafür gesorgt, den Raketenantrieb zu überwachen und die Daten aktiv zu nutzen. So ist es dank zahlreicher Anschlüsse für die Messung von Temperatur und Druck möglich, die Daten direkt in das Noyron-Berechnungsmodell rückfließen zu lassen. Diese können in weiterer Folge dazu verwendet werden, einerseits das Modell zu überarbeiten, andererseits auch die Software weiterzuentwickeln. Noyron könnte in weniger als 15 Minuten neue Designvarianten des Triebwerk-Modells erstellen, welche nach der Fertigung auch direkt getestet werden könnten. Josefine Lissner, Luft- und Raumfahrtingenieurin und Geschäftsführerin von LEAP 71, hebt die Bedeutung von Noyron für die Beschleunigung von Entwicklungen hervor:
Dies ist ein wichtiger Meilenstein für uns, aber auch für die gesamte Branche. Wir können jetzt automatisch funktionsfähige Raketentriebwerke erstellen und direkt zur praktischen Validierung übergehen. Von der endgültigen Spezifikation bis zur Fertigung dauerte die Entwicklung dieses Triebwerks weniger als 2 Wochen. In der traditionellen Technik wäre dies eine Aufgabe von vielen Monaten oder sogar Jahren. Jede neue Iteration des Triebwerks dauert nur Minuten. Innovation bei Raumfahrtantrieben ist schwierig und kostspielig. Mit unserem Ansatz hoffen wir, den Weltraum für alle zugänglicher zu machen.
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*Bildnachweise: LEAP 71