Die Zahnmedizin ist ein Bereich, in dem Präzision, Ästhetik und Funktionalität ein Gleichgewicht finden müssen. Inzwischen ist dies auch ein Sektor, in dem der 3D-Druck immer mehr in den Fokus rückt und seine zahlreichen Vorteile genutzt werden. Unter den Startups, die die Produktion in dieser Branche neu definieren, sticht FIDENTIS® hervor. Das junge Unternehmen, das aus dem Fraunhofer IGCV hervorgegangen ist, hat mit einer additiven Multi-Material-Fertigungslösung für Teleskop-Prothesen (im Deutschen besser bekannt als Kronen) auf sich aufmerksam gemacht. Seine Technologie geht über das Übliche hinaus. Sie kombiniert nämlich das Laser-Pulverbett-Schmelzen mit einem Roboter, der weitere Materialien in einem einzigen Prozess aufträgt. Wir hatten die Gelegenheit, mit einem der Gründer und Geschäftsführer von FIDENTIS, Max Horn, zu sprechen. Im Interview erfahren Sie mehr über das Verfahren des Startups.
3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und uns erzählen, wie es zur Gründung von FIDENTIS kam?
FIDENTIS® ist eine Ausgründung des Fraunhofer IGCV, das als weltweit führendes Forschungsinstitut auf dem Gebiet der additiven Fertigung (additive manufacturing, AM) von Multi-Material-Metallen gilt. Als Wissenschaftler am Fraunhofer IGCV und Doktorand an der TUM erforsche und entwickle ich seit 2017 mit meinen Kollegen den Prozess der multimaterialen additiven Fertigung mit Metallen. Zurzeit nutzen wir genau diese Technologie, um zahntechnische Vorprodukte herzustellen.
Das FIDENTIS-Team. Von links nach rechts: Max Horn, Timo Schröder, Lukas Langer und Johannes Lauer.
3DN: Warum haben Sie beschlossen, sich auf die Zahnprothetik zu konzentrieren?
Vor einigen Jahren entdeckte Josef Schweiger, einer der renommiertesten Zahntechniker Deutschlands, unsere Fertigungslösung, die bis dahin hauptsächlich im Werkzeugbau und in der Luft- und Raumfahrt eingesetzt wurde. Schweiger erkannte sofort das Potential für die Dentalindustrie. Wir haben uns zusammengetan und gemeinsam mit unseren jeweiligen Kollegen die Technologie weiterentwickelt, mit dem Ziel, Edelmetalle zu verarbeiten und den hohen Anforderungen der Zahnprothetik gerecht zu werden. Derzeit beschränkt sich die Produktion in der Dentalindustrie auf minderwertige Lösungen ohne Friktions-Teleskope, die für eine optimale Ästhetik und einen sicheren Sitz im Mund des Patienten unerlässlich sind.
Wir wollen Dentallabors dabei helfen, die Produktion von Lösungen höchster Qualität zu steigern. Dies ist eine großartige Möglichkeit, die durch den Mangel an qualifizierten Zahntechnikern entstandene Lücke zu schließen, indem man die Vorteile fortschrittlicher additiver Fertigungslösungen nutzt.
3DN: Können Sie erklären, wie Ihr Multi-Material-3D-Druckverfahren funktioniert?
Unsere Multi-Material-Lösung basiert auf dem Laser-Pulverbett-Schmelzen (LPBF), das die gleichzeitige Verarbeitung von zwei (oder mehr) verschiedenen Legierungen zu einem einzigen Bauteil ermöglicht. Ein Roboterarm wird eingesetzt, um die zusätzlichen Pulvermaterialien sorgfältig in das Pulverbett einzubringen. Wir entwickeln auch die Laser- und Scan-Parameter, um die verschiedenen Materialien miteinander zu verbinden und so völlig dichte, originalgetreue Teile herzustellen. Eine vollständig integrierte digitale Prozesskette sorgt für die automatische Nachbearbeitung der funktionalen Oberflächen der 3D-Druckteile aus einem einzigen Datenmodell. Unsere Technologie und unsere Lösung sind wirklich einzigartig. Wir sind gespannt darauf, das Potential von Multi-Material-AM auch in anderen Branchen zu sehen.
Das von FIDENTIS entwickelte Verfahren ist zehn Mal schneller als herkömmliche Methoden.
3DN: Welche Herausforderungen ergeben sich aus dem gleichzeitigen 3D-Druck mit verschiedenen Metallen? Wie geht FIDENTIS mit diesen Herausforderungen um?
Im Vergleich zum 3D-Druck mit einem Material verdreifacht sich die Komplexität – mindestens! Nicht ein, sondern zwei Materialien und ihre Schnittstellen müssen kontrolliert werden. Dies gilt für die Datenaufbereitung, die In-Prozess-Kontrolle (Scannen, Pulverabscheidung usw.) und die Nachbearbeitung (Wärmebehandlung, Bearbeitung, Pulveraufbereitung usw.). Wir arbeiten seit mehr als sieben Jahren mit Multi-Material-3D-Druck und haben Lösungen entwickelt, um alles so zu organisieren, dass wir reproduzierbare und sichere Prozesse garantieren können. Aber auch einschichtige Scan-Vektoren können beim ersten Anblick Kopfzerbrechen bereiten. Ganz allgemein und speziell für unsere Anwendung ist der EU-Rechtsrahmen, gelinde gesagt, eine erwähnenswerte Herausforderung. Es versteht sich von selbst, dass das Wohlergehen der Patienten oberste Priorität hat und dass die Gesundheit der Menschen nicht durch neue Versorgungslösungen gefährdet werden darf. Gleichzeitig sind der Rechtsrahmen und seine Anwendung äußerst restriktiv für Innovationen und kosten viel Arbeit, nicht nur für uns als Startup. Um dem Fachkräftemangel und den steigenden Kosten im Gesundheitswesen als Gesellschaft entgegenzuwirken, müssen wir in unserem Innovationsansatz beweglicher werden.
3DN: Was sind die Zukunftspläne von FIDENTIS?
Das positive Feedback von Branchenexperten zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und motiviert uns, das Tempo beizubehalten und unsere Vision voranzutreiben. Unser nächstes großes Ziel ist es, die ersten Patienten wieder zum Lächeln zu bringen. Sobald die ersten Prothesen ausgeliefert sind, wollen wir unsere Produktion erhöhen und unsere Effizienz weiter steigern.
3DN: Haben Sie noch abschließende Worte an unsere Leserschaft?
Vielen Dank an alle, die uns auf unserem Weg unterstützt haben und es weiterhin tun. Ohne die enorme Unterstützung von Experten, Mentoren usw. wären wir heute nicht da, wo wir sind.
Wenn Sie mehr über den FIDENTIS-Zahnersatzprozess erfahren möchten, besuchen Sie die offizielle Website des Unternehmens. Lassen Sie uns dazu einen Kommentar da, oder teilen Sie es uns auf Facebook oder LinkedIN mit. Wenn Sie mehr zum 3D-Druck in der Medizin lesen möchten, schauen Sie auf unserer Landing Page vorbei. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter.
*Bildnachweise: FIDENTIS