Die diesjährige Biennale di Venezia bringt erneut hunderte an innovativen Projekten zusammen. Das Kulturfest ist traditionell aufgeteilt in die Art Biennale und die Architektur Biennale, bei der Besucher in Castello Venedig atemberaubende Kunstwerke besuchen können – sei es kontemporäre Kunst, Musik, Theater, Film, oder für uns besonders interessant, Architektur. In der über 200 Jahre langen Tradition der Biennale sah sie zahlreiche Technologien und Trends unter ihren Ausstellern. Das Fest findet dieses Jahr unter dem Motto „Intelligens.Natural.Artificial.Collective“ statt, behandelt also Themen und Schnittstellen von Intelligenz, Natur, Künstlichkeit und dem Kollektiv. Unzählige kreative Umsetzungen des Themas können in Venedig gefunden werden, doch für uns sticht besonders die Nutzung des 3D-Drucks unter den Architektur Werken heraus. Hier finden Sie unsere Top 10 der spannendsten Projekte der Biennale, welche den 3D-Druck in der Fertigung, Konzeption, und vielen mehr verwenden!
Tradition Meets Innovation: Evolving Stoneworks Through 3D Concrete Printing
In dieser Ausstellung dreht sich alles um die Evolution des traditionellen Handwerks. Die Künstler des Centauroos Teams stellten sich die Frage, wie der 3D-Druck das Handwerk weiterbringen kann, sei es in der digitalen Konzeption, Abfall Recycling, oder der Fertigung vor Ort. Mit ihrem Project Tradition Meets Innovation zeigen Sie ein neues Konzept für die Verwendung von Beton. Dieses beschreiben sie als eine kollaborative Bautechnologie, bei der Menschen und Maschinen die gleiche Wichtigkeit zugeteilt wird. Der Betondruck findet mittels eines Roboterarms statt und verwendet bis zu 30% recyceltes Material aus Bau- oder Abrissabfällen. Der Ansatz stellt ein zirkulares Produktionsmodell dar, welches versucht, die Kluft zwischen Handwerk und digitaler Industrie zu überbrücken. Gleichzeitig sucht das Team nach nachhaltigeren Lösungen in der Bauindustrie, besonders für historische Gebäude. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Der Abfall wurde aus Erdbebenschäden in Zentralitalien gewonnen (Bild: Centauroos)
From Waste to Resource: Robotic 3D-Printing for Recycling Plastics
Auch dieses Projekt befasst sich umfassend mit Abfallproduktion und Recycling. Das Formateria Team widmete sich dem Potential von recycelbarem Plastik und Bioplastik als Baumaterialien in der Architektur. Sie hinterfragen die Wahrnehmung von Plastik als Wegwerfartikel und wollen das Material stattdessen als essenziell für den Bau positionieren – u.a. dank dessen Strapazierbarkeit und niedrigen Anschaffungskosten. Das Thema Intelligens greifen die Künstler als direkte Aufforderung nach Verantwortung für die globale Klimakrise auf. Das Team zeigt eindrucksvoll, wie Nachhaltigkeit und der 3D-Druck Hand in Hand gehen. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Der 3D-Drucker des Formateria Teams (Bild: Formateria)
LIMINIS
Liminis stützt sich auf die Ideen des Österreichisch-Britischen Architekten Christopher Alexander zu „lebendiger Architektur“. Er argumentierte, dass etwas nicht in Isolation gebaut werden kann. Stattdessen soll der Bau einer Sache auch die Welt um sich herum heilen, sie erweitern und ganz machen. Einfach gesagt sollte beim Bau, z.B. eines Gebäudes, stets die Umgebung betrachtet werden, sodass das Gebäude die Gegend erweitert und mit ihr harmoniert. Wie das Team hinter dem Projekt Polymorf erklärt, kann Architektur eine tiefe Resonanz erschaffen – in Liminis durch die Kombination von traditionellem Handwerk und der digitalen Fertigung durch den 3D-Druck. Sie wollen eine Verbindung zwischen menschengemachten Formen und organischen Mustern aufrechterhalten, die die Natur nicht imitiert, sondern ergänzen soll. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Die Skulptur aus der Nähe (Bild: Polymorf)
To Grow a Building
To Grow a Building von Nof Nathanson spielt mit der Definition von menschengemachten Formen und natürlichen, unvorhersehbaren Elementen. Die Installation zeigt ein Gebäude, welches mithilfe eines 3D-Druckers hergestellt wurde. Doch nicht nur irgendein 3D-Drucker wurde hier genutzt – Erde wurde gedruckt, in der sich bereits Samen befanden. Nach dem Druck sprossen die Samen nach und nach in unberechenbaren Strukturen. Manche Samen produzierten Gemüsepflanzen, andere Blumen. Das Gebäude vereint so ein eng konzipiertes Konstrukt, sowie wilde Natur. Das Projekt wird weiter blühen und wachsen, bis es irgendwann verblüht und sich zurück in die Erde auflöst. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Der Grundriss des Gebäudes (Bild: Nof Nathanson)
Earthen Rituals
Lola Ben-Alon kombiniert KI gestütztes Design mit traditionellen Materialien aus der gesamten Menschheitsgeschichte. Der Name basiert auf dem Prozess des Projektes: Texturen aus verschiedenen natürlichen Materialien werden metaphorisch in Code umgewandelt. Aus Bauabfällen und Landwirtschaftlichen Nebenprodukten werden 3D-gedruckte Fließen gefertigt – diese sind an verschiedenen traditionellen Konstruktionsformen angelehnt, u.a. Weben oder Korbflechterei. Die Installation soll zum Nachdenken anregen und Themen wie Ausbeutung, Kolonialismus oder Klimakrisen ansprechen. Die tiefe Geschichte der Menschheit und ihre Weisheit in traditionellen Erdbauten dient als Lösungsansatz moderner Krisen durch ihren Respekt vor „Earthen Rituals“ und den Rohstoffen, die auf der Erde zu finden sind. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Die atemberaubenden Strukturen aus verschiedenen Kulturen und Zeiten (Bild: Lola Ben-Alon)
Inosculae
Das Orproject der University of Cincinnati stellt eine innovative Methode des 3D-Drucks mit Holz vor. Inosculae zeigt eine vollständig kompostierbare, großräumige 3D-gedruckte Installation aus Holz, welche hochgradig stabil sein soll. Auch diese Skulptur wurde aus Abfällen gedruckt, in dem Versuch, Natur und Technologie zu verbinden. Die Abfälle dienen nun als Quelle für neues Leben – die Struktur wird sich auflösen und ein neuer Baum soll aus der dort resultierenden Erde gedeihen. Der Kreislauf aus Rohmaterial, Verbrauch in der Architektur, Verfall und Regeneration soll sich so im Rahmen des Projekts schließen. Der Name des Projektes beruht auf dem Prinzip der Verschmelzung (englisch Inoculation), bei der z.B. zwei Bäume zusammenwachsen und einen stärkeren Baum bilden. Durch die innovative Kombination von Technologie und Natur zeigt das Projekt eine nachhaltigere Alternative für die Zukunft des Baugewerbes. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Die Struktur wurde tatsächlich als zwei verschiedene „Stämme“ gedruckt, welche im oberen Teil des Objekts verschmelzen (Bild: Orproject)
Necto
Mariana Popescu, SO-IL, TheGreenEyl und Riley Watts kollaborierten an dieser Kunstinstallation, welche die Grenzen von rationaler Architektur hinterfragt. Aus 3D-gedruckten natürlichen Fasern hergestellt, droht das Projekt augenscheinlich kurz vor dem Zusammenbruch zu sein. Dies ist natürlich gewollt, die Künstler wollen mit Necto temporäre Strukturen in den Fokus rücken – flexibel, effizient und rekonfigurierbar, je nachdem, was gerade benötigt wird. Die Struktur besteht aus einer gestrickten Oberfläche aus Naturfasern, die durch umfangreiche Computermodellierung optimiert wurde. Nach der Ausstellung wird Necto einfach abgebaut werden und für künftige Anwendungen verpackt, ohne Materialien oder Abfall zu hinterlassen. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Die 3D-gedruckten Faser wurden in einzelnen Strängen gefertigt (Bild: SO-IL)
Duality of Skin and Core – eine modulare Säule aus dem 3D-Drucker
Im Marinessa-Garten können Neugierige im Rahmen der Ausstellung „Time, Space, Existence“ ein weiteres 3D-gedrucktes Exemplar bestaunen. Die 3D-gedruckte modulare Säule „Duality of Skin and Core“ wurde von Cristina Nan, Assistenzprofessorin an der Technischen Universität Eindhoven, und dem Architekten Mattia Zucco entworfen. Die Säule erweitert die Computational Concrete Columns-Reihe des Duos und vereint Architektur, Kreativität und Technologie. Ebenfalls beteiligt waren Vertico, ein niederländisches Unternehmen, das sich auf den 3D-Druck im Großformat spezialisiert hat, und Lanxess, ein deutscher Pionier im Bereich Chemikalien und Pigmente. Vertico übernahm den 3D-Druck der Säule und Lanxess war für die Materialien und Pigmente zuständig. Das Duo Nan/Zucco bricht bei „Duality of Skin and Core“ mit dem herkömmlichen Design von Säulen, bei denen normalerweise nur die Außenverkleidung sichtbar ist. Nicht aber bei diesem Bauwerk, bei dem Hülle und Fülle gleichermaßen zu sehen sind. Wie ein Schlitz in einem Rock reißt die Verkleidung auf und gibt den Blick auf das Innere der Säule preis – daher auch der Name. Die unterschiedlichen Farben unterstreichen den Kontrast. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Säule modular konzipiert ist. Das heißt, sie kann leicht transportiert, auf- und abgebaut werden, und an einer anderen Stelle wieder errichtet werden. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Wie hier zu sehen, war den Künstlern das innere sowie das äußere Design der Säule wichtig (Bild: Vertico)
Picoplanktonics
Die Ausstellung Picoplanktonics konfrontiert Besucher mit einer Vision für Bauten, die einer komplett verschiedenen Designphilosophie im Vergleich zur herkömmlichen Architektur anhängt. Stattdessen zeigt die Installation ein eher ökologisches Design. Vor dem Hintergrund der aktuellen Klimakrise präsentiert die Ausstellung eine Reihe von großformatigen, robotergedruckten Strukturen, die von Synechococcus PCC 7002 „besiedelt“ werden. Dabei handelt es sich um eine Pikoplanktonart, die in der Lage ist, Kohlendioxid zu absorbieren und zu speichern, wodurch das Material allmählich verstärkt wird. Die Stücke wurden ursprünglich in einem Labor entwickelt, sind aber nun im Kanada-Pavillon zu sehen. Die vom Living Room Collective kurierte und vom Canada Council for the Arts präsentierte Ausstellung stellt ein Modell für eine lebendige, regenerative Architektur vor. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Hier sehen Sie das lebendige Baumaterial, welches im Projekt verwendet wird (Bild: La Biennale di Venezia)
Geological Microbial Formations
Im Rahmen von Überlegungen zu Nachhaltigkeit und transformativen Technologien untersucht die Ausstellung Geological Microbial Formations die Biozementierung als Strategie zur Umwandlung von Bauschutt in neue architektonische Materialien. Der von Forschern der ETH Zürich und der EPFL Lausanne entwickelte Vorschlag kombiniert Biotechnologie, Roboterfertigung und Architektur. Im Zentrum der Installation führt ein Roboterarm einen kontinuierlichen Schichtungsprozess mit Sand, mikrobiellen Kulturen und mineralischen Lösungen durch. Sobald der Prozess beendet ist, wird eine Reaktion ausgelöst, die die Materialien zu steinähnlichen Gebilden verfestigt. Auf diese Weise schlägt das Projekt neue Formen der nachhaltigen Architekturproduktion vor. Mehr Informationen finden Sie HIER.
Der gesamte Prozess wird durch einen Roboterarm gesteuert (Bild: Matteo Losurdo/Digital Building Technologies)
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*Titelbildverweis: La Biennale di Venezia