In der Bauindustrie findet die additive Fertigung eine breite Anwendung. Ob beim Bau von Häusern, Schulen oder sogar Brücken – die 3D-Technologie bietet große Vorteile gegenüber herkömmlichen Fertigungsmethoden. Besonders im Bereich der städtischen Architektur haben sich in den letzten Jahren 3D-gedruckte Brückenprojekte vervielfacht. Die ersten 3D-gedruckten Brücken entstanden bereits 2016 und der Trend hört nicht auf. Mittlerweile glänzen viele Städte in aller Welt mit den innovativen Bauten. Um mehr über diese bereits durchgeführten und anstehenden Projekten zu erfahren und darüber, wie die additive Fertigung den Bau von Brücken erleichtert, haben wir eine Liste mit einigen der bedeutendsten Initiativen der letzten Jahre zusammengestellt – unabhängig davon, ob sie bereits abgeschlossen sind oder sich noch im Bau befinden.
Vertico Brücke nutzt 60 % weniger Material
Was einst utopisch war, ist inzwischen Realität. Das Unternehmen Vertico, hat die Initiative ergriffen, den 3D-Druck zum Bau einer Fußgängerbrücke einzusetzen, für welche 60% weniger Material im Vergleich zu sonstigen Baumethoden benötigt wird. Bei diesem Projekt hat Vertico mit der Universität Gent zusammengearbeitet und eine Fußgängerbrücke entworfen, die nicht durch ihre Größe, aber sicherlich durch ihre Ästhetik besticht und zudem durch ihre optimierte Topologie auffällt. Für das Vorhaben wurde ein 3D-Drucker für Beton verwendet, der über ein Druckvolumen von 4,5 x 2 x 2,5 m verfügt. Es wurde ein speziell für diesen Zweck entwickeltes Material genutzt. Mit der Realisierung will das Unternehmen CO2-Emissionen reduzieren und die Produktivität im Bausektor steigern.
Bild: Vertico
Zusammenarbeit mit der TU Eindhoven
Der renommierte Architekt Michiel van der Kley hat zusammen mit Summum Engineering und Witteveen+Bos in Zusammenarbeit mit der Technologischen Universität Eindhoven (TU/e) das 3D-Modell für die längste 3D-gedruckte Brücke für Radfahrer entworfen. Die Brücke wurde im 3D-Druckzentrum von Saint-Gobain Weber Beamix hergestellt. Zur Umsetzung wurden mehrere BAM-Roboterarme einsetzt. Die 29 Meter lange Brücke wurde mit runden und natürlichen Formen entworfen, um die Optik an die Natur anzupassen.
3D-gedruckte Brücke von Acciona in Madrid
Die in Alcobendas in Madrid gelegene Betonkonstruktion wurde von dem spanischen Unternehmen Acciona erstellt, ein Unternehmen das in mehreren Geschäftsbereichen tätig ist – unter anderem in den Bereichen Energie und Infrastruktur. Seit einigen Jahren widmet sich das spanische Unternehmen auch additiven Fertigung. Obwohl Acciona den Bau im 3D-Druck umgesetzt hat, wurde diese vom Institute of Advanced Architecture of Catalonia entworfen. Zu den technischen Eigenschaften kann festgehalten werden, dass die Brücke 12 Meter lang und 1,75 Meter breit ist. Darüber hinaus hat sie eine organische und biomimetisches Design, das Formen der Natur nachempfunden ist.
Bild: Acciona
Die erste 3D-gedruckte Brücke in den Niederlanden
2017 entwarfen die Technische Universität Eindhoven (TUE) und das Unternehmen BAM Infra die erste 3D-gedruckte Betonbrücke in den Niederlanden. Die 8 Meter lange und 3,5 Meter breite Brücke, die aus 800 Schichten Beton gefertigt wurde, führt über einen Graben und verbindet so zwei Straßen. Wie in anderen Beispielen geben auch TUE und BAM Infra an, dank dem 3D-Druck die Menge an Beton, die für den Bau des Bauwerks benötigt wurde, reduziert zu haben. Die in der Stadt Gemert gelegene Brücke wurde in nur 3 Monaten fertiggestellt.
Bild: Bart Maat / EPA
Die längste 3D-Betonbrücke in China
Stolze 176 Einheiten aus Zement halten die längste 3D-gedruckte Betonbrücke der Welt zusammen, welche Fußgänger in Shanghai sicher über den Kanal bringt. Die Brücke wurde von einem Team rund um Professor Wu Weiguo der Tsinghua University entworfen und gemeinsam mit Wisdome Bay additiv gefertigt. Inspiriert von der historischen Brücke Anji in Zhaozhou (China) soll die Fußgängerbrücke in Shanghai repräsentativ für das Potenzial der Technologie für Ingenieurprojekte aller Art sein. Für den Bau kamen zwei Roboterarme zum Einsatz, welche den Betonbogen innerhalb von 450 Stunden gefertigt haben. Das Team gibt an, dass für die Umsetzung im Vergleich zu herkömmlichen Fertigungsverfahren zwei Drittel der Kosten eingespart werden konnten.
Bild: JCDA
Eine einziehbare 3D-gedruckte Brücke
Im vergangenen Sommer wurde in China eine weitere Brücke fertiggestellt, welche zum Teil mit Hilfe der additiven Fertigung konstruiert wurde – und dazu über eine ganz besondere Funktion verfügt. Sie wurde nämlich so konzipiert, dass sie sich jederzeit einfahren lässt und durch einen, über Bluetooth verbundenen Knopf, gesteuert werden kann. Bei diesem Vorhaben wurde zwar nicht die gesamte Brücke in 3D gedruckt – die dreieckige Elemente wurden innerhalb von drei Tagen mit der additive Fertigung hergestellt. Die 36 Elemente wurden aus einem Verbundwerkstoff aus recycelten Materialien hergestellt. Die Brücke ist 9 Meter lang und 1,5 Meter breit und wurde im Wisdom Bay Park installiert.
Marine Corps Combat testet 3D-gedruckte Brücken
2019 führt das US-Marine Corps Combat ein Schulungsprogramm für Spezialabteilungen durch, bei dem der Einsatz eines ACES-Druckers (Automated Construction of Expeditionary Structures) getestet wurde. Das Marine Corps experimentiert mit Beton- und Aluminiumdruckersystemen, um diese Art von 3D-Druckern zur Erstellung von maßgeschneiderten Brücken vor Ort einzusetzen. „Das einzige Hindernis ist derzeit die Ausarbeitung von Vereinbarungen über geistiges Eigentum mit der Industrie“, erklärte Hauptmann Matthew Friedell, der Teamleiter der Advanced Manufacturing Operations Cell im Marine Corps Rapid Sustainment Office. Er geht davon aus, dass die additive Fertigungsindustrie und das US-Verteidigungsministerium in den nächsten Jahren Vereinbarungen zur Nutzung geschützter 3D-Technologien treffen werde.
Sicherung einer 3D-gedruckten Brückenstütze während einer Übung in Camp Pendleton, Kalifornien. (Bild: Marine Corps).
Eine 3D-gedruckte Fußgängerbrücke in Rotterdam
In einer Zusammenarbeit von Royal HaskoningDVC, CEAD und Covestro wurde der erste Prototyp einer 3D-gedruckten Fußgängerbrücke aus einem glasfaserverstärkten thermoplastischen Verbundwerkstoff hergestellt. Die Unternehmen geben an, dass sie sich für dieses Material entschieden haben, weil faserverstärkte Polymerbrücken im Vergleich zu Stahl für eine längere Lebensdauer und niedrigere Lebenszykluskosten aufweisen. Sie weisen auch darauf hin, dass dies offenbar das erste Mal ist, dass jemand die 3D-Drucktechnologie einsetzt, um eine Brücke aus großformatigen, endlosfaserverstärkten thermoplastischen Teilen herzustellen. Für die Technologie wurden die Schmelzgranulatherstellung und das Granulat Arnite AM8527 von Covestro verwendet. Die Unternehmen sehen mehrere Vorteile des 3D-Drucks im Brückenbau, darunter eine kürzere Bauzeit, die umweltfreundlichere Bauweise, einen geringen Wartungsaufwand und eine längere Lebensdauer. Derzeit existiert die Brücke nur als Prototyp, soll aber im Kralingse Bos Park in Rotterdam installiert werden.
3D-gedruckte Brücke auf Kunststoffbasis
Im Jahr 2018 haben sich das chinesische Bauunternehmen Shanghai Mechanized Construction Group Co (SMCC) und der 3D-Filamenthersteller Polymaker zusammengetan, um eine originelle 3D-gedruckte Brücke für einen Park zu entwickeln. Die aus Kunststoff gefertigte und für Fußgänger bestimmte Brücke ist 15,25 Meter lang, 3,8 Meter breit und wiegt 5.800 Kilogramm. Um diese Proportionen zu stemmen, verwendeten die Unternehmen einen XXL-Drucker mit einem Druckvolumen von 24 Metern Länge und 4 Metern Breite. Als Material verwendete das Team Acrylnitril-Styrol-Acrylat (ASA) mit Glasfaserverstärkung. Im Jahr 2019 wurde die Brücke erfolgreich installiert und soll laut Plan 30 Jahre lang im Park stehen bleiben.
(Bild: Polymaker)
Die Diamanti-Brücke
Ein internationales Team aus Forschern und Unternehmen hat Diamanti entwickelt, eine modulare, 3D-gedruckte Beton Brücke, die 2025 auf der Ausstellung „Time Space Existence” in Venedig vorgestellt wird. Das Projekt unter der Leitung von Professor Masoud Akbarzadeh in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Unternehmen Sika Group untersucht, wie computergestützte Geometrie und robotergestützte Fertigung die Effizienz und Anpassungsfähigkeit beim Bauen mit Beton verbessern können. Die Struktur besteht aus neun vorgefertigten Segmenten, die aus einer Zementmischung und Hohlgeometrien hergestellt sind, wodurch der Materialverbrauch reduziert wird. Anschließend werden die Segmente mit vorgespannten Stahlseilen ohne Klebstoffe zusammengefügt, wodurch die Brücke demontierbar und recycelbar ist. Bislang wurden zwei Versionen gebaut: ein 2,5 m langer Prototyp, der in Venedig ausgestellt ist, und ein 10 m langer Prototyp, der in Frankreich strukturell getestet wurde.
KI-generiertes Bild der Diamanti-Brücke. (Bild: Massive Form)
Große Vorbilder – die Da Vinci-Brücke in Bari
Die kürzlich enthüllte Da Vinci-Brücke in Bari zeigt, wie 3D-Druck historische Visionen mit nachhaltiger Innovation verbinden kann. Die mit dem großformatigen 3D-Drucker von WASP erbaute Struktur wurde aus 13 ineinandergreifenden Blöcken unter Verwendung eines Mörtels aus Steinabfällen und Kalk hergestellt, wodurch Nebenprodukten der Marmor- und Steinverarbeitung eine neue Verwendung gefunden wurde. Inspiriert von Leonardo da Vincis Entwurf aus dem 16. Jahrhundert, basiert die Brücke auf der Präzision der 3D-gedruckten Elemente, um ihre selbsttragende Form zu erreichen. Dieses Projekt verwirklicht nicht nur da Vincis Konzept, sondern zeigt auch, wie digitale Fertigung die Umweltbelastung im modernen Bauwesen reduzieren kann.
(Bild: WASP)
Schweizer Zusammenarbeit für die neue Phoenix-Brücke
Als krönenden Abschluss des Rankings haben wir für Sie die Phoenix Brücke in der Schweiz vorbehalten. Es handelt sich um eine Konstruktion, die von dem seit Jahren tätigen Schweizer Zementhersteller Holcim entworfen und entwickelt wurde. Das Unternehmen arbeitete dabei Hand in Hand mit der ETH Zürich, sowie den Firmen incremental3D und Zaha Hadid Architects. Die Brücke wurde aus 10 Tonnen recyceltem Material hergestellt, wodurch ihr CO2-Fußabdruck um 25 % reduziert werden konnte. Das Druckmaterial stammt von Holcim – es handelt sich um eine Mischung auf Basis von vollständig recyceltem Beton. Nach Angaben des Unternehmens konnte durch die additive Fertigung der Materialverbrauch um 50 % gesenkt werden, ohne dass die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wurde.
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