3D-Druck hält schwedische Kernkraftwerke in Schuss

Kaputtes wegwerfen und neukaufen ist zwar in einigen Branchen immer noch gang und gäbe, dennoch setzen viele Industrien aus Kosten-, Zeit- und Nachhaltigkeitsgründen darauf, ihre altbewährten Mittel und Maschinen zu erhalten und deren Lebensdauer zu verlängern. Eine Hürde, mit denen sich viele Unternehmen dann konfrontiert sehen, ist, dass die notwendigen Ersatzteile mitunter nicht mehr hergestellt und geliefert werden können. Neue Modelle sind häufig nicht kompatibel. Diese Ersatzteil-Obsoleszenz betrifft insbesondere die Automobil– und Bahnbranche, wo veraltete Teile für ältere Züge oder Oldtimer ausgewechselt werden müssen, um den Betrieb weiter zu sichern. Aber auch in der Kernkraft ist dieses Problem festzustellen. Aus diesem Grund setzt Vattenfall aus Schweden auf die additive Fertigung, um seine Kernkraftwerke in Schuss zu halten.

In Schweden gibt es insgesamt sechs Kernkraftwerke, fünf davon gehören Vattenfall und wurden in den 1970ern und 80ern gebaut. Ursprünglich war geplant, diese 60 Jahre lang in Betrieb zu halten. Nun wurde diese Zeit auf 80 Jahre Laufzeit erhöht. Um jedoch die Sicherheit zu gewährleisen, müssen einige Komponenten ersetzt werden. Allerdings mangelt es an qualifizierten Lieferanten, die Produktion bringt lange Vorlaufzeiten mit sich, und es ist mit hohen Kosten zu rechnen. Mitunter müssen Teile großflächig ausgetauscht werden, auch wenn nur ein kleines Element ausgedient hat. Großunternehmen in diesem Sektor haben daher aus Eigeninteresse relevante Subunternehmen aufgekauft, um ihre Lieferketten und die Ersatzteilversorgung zu sichern. Dies macht es für kleinere Betreiber zu einer schwierigen Aufgabe, die Teile der eigenen Reaktoren zu erneuern.

Björn Forssgren, Spezialist für metallische Werkstoffe bei Vattenfall prüft 3D-gedruckte Rohrhalterungen vor der Installation in Ringhals 3.

Vattenfall hatte sich 2017 erstmals dem 3D-Druck zugewandt und gemeinsam mit vier anderen Unternehmen in einen 3D-Drucker investiert. Für Vattenfall bedeutet dies, die Produktion von Ersatzteilen selbst zu steuern und selbstständig zur Gewährleistung der Stromproduktion beizutragen. „Wir haben das Potential der AM-Technologie früh erkannt, und in vielen Branchen ist sie bereits die neue Normalität. Das Wichtigste für uns ist die unglaubliche Flexibilität der Technologie. Wir können damit so ziemlich alles herstellen: Rohre, Ventile, Pumpengehäuse, Innenteile dafür, und auch bei den Materialien gibt es keine Einschränkungen. Es lassen sich praktisch alle Arten von Legierungen einsetzen“, sagt Björn Forssgren, Spezialist für metallische Werkstoffe im schwedischen Kernkraftwerk Ringhals, wo er in der Forschung und Entwicklung arbeitet.

Qualitätssicherung der 3D-gedruckten Teile für Kernkraftwerke

Vattenfalls integrierte die 3D-gedruckte Teile bereits in drei schwedischen Kernkraftwerken: in Ringhals (Westküste), Forsmark (Ostküste) und Oskarshamn (Südosten, Eigentum von Fortum). Für das Team stellte sich allerdings die ausschlaggebende Frage, wie die Qualität der additiv gefertigten Komponenten sichergestellt werden könne. Bisher investierte Vattenfalls daher viel Zeit, um Qualitätsprüfungen an den 3D-gedruckten Teilen vorzunehmen: sind die Teile fest, sind sie langlebig und widerstandsfähig? „AM ist ein hochgradig kontrollierter Fertigungsprozess. Alle unsere Studien zeigen, dass die auf diese Weise hergestellten Komponenten mindestens genauso gut sind wie solche, die nach klassischen Verfahren gefertigt werden. Wir haben strikte Anforderungen und nutzen die Technologie, um sicherzustellen, dass die strukturelle Integrität gleich und in vielen Fällen sogar besser als bei herkömmlichen Ersatzteilen ist“, hebt Forssgren hervor.

Jedoch hinkt die Technologie ihrem Potential noch hinterher, denn auufgrund fehlender internationaler Normen druckt Vattenfall vorläufig nur Teile, die keinem hohen Druck ausgesetzt sind. Für Teile, die unter hohem Druck stehen, bräuchte es eine flächenübergreifende Normierung. „Wir hoffen, dass es eine solche Norm in naher Zukunft geben wird. Sobald das der Fall ist, können wir uns näher damit befassen, solche Komponenten in unseren Anlagen zu installieren“, beteuert Forssgren.

Diese 3D-gedruckte Deckplatte stützt die Brennstäbe in einem Brennelement. Dieses Beispiel zeigt, wie Vattenfall 3D-Druck in Kernkraftwerken nutzt.

Trotzdem sieht Vattenfall in AM eine Zukunftstechnologie, auf die das Unternehmen seine Strategie stützt. So wird die Beschaffung einer eigenen 3D-Druckanlage in Erwägung gezogen. Damit könnte sich auch der Anwendungsbereich der additiven Fertigung erweitern. Es wäre dann möglich, dass Vattenfall in Zukunft auch 3D-gedruckte Teile für andere Arten der Stromerzeugung und für andere Kernkraftwerke fertigt. Vorerst konzentrieren sich die Verantwortlichen aber auf eine strukturierte und langfristige Integration der additiven Fertigung ins eigene Unternehmen, wie Forssgren zusammenfasst:

Die Anlagen werden nicht jünger. AM ist ein Instrument, um unsere Verfügbarkeitsziele zu erreichen und das Risiko von Anlagenstopps verringert. In Bezug auf Komponenten, die in dieser Hinsicht als risikoreich gelten, wollen wir proaktiv arbeiten. Wir legen daher virtuelle Lager mit digitalen CAD-Modellen an, damit wir bei Bedarf neue Komponenten in 3D drucken können. Jede geplante Abschaltung ist extrem teuer, beeinträchtigt die Verfügbarkeit und schadet auch dem Vertrauen in die Kernenergie.

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*Titelbild: Im Kernkraftwerk Forsmark werden bereits 3D-gedruckte Teile eingesetzt. Bildnachweise: Vattenfall Group

Astrid Z.:
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