#Working3D: Sechs Fragen an einen Universitätsprofessor über die Herstellung von 3D-Mikrostrukturen in der Biomedizin

Die Fortschritte des 3D-Drucks und des 3D-Biodrucks im Bereich der medizinischen Forschung sind zunehmend vielversprechend. Eine der Anwendungen dieser Technologie ist die Entwicklung von 3D-Mikro- und Nanostrukturen, mit deren Hilfe man verstehen kann, wie Zellen in einer Umgebung funktionieren, die derjenigen von natürlichem menschlichem Gewebe ähnelt. Das 3D-Bioprinting ist ein hervorragender Verbündeter, wenn es darum geht, geschädigtes Gewebe oder Tumore mit menschlichen Zellen in 3D zu drucken, um deren Funktionsweise genauer zu bestimmen und wirksame personalisierte Behandlungen zu finden.
Zu den Universitäten, die sich mit der Forschung und dem Einsatz von 3D-Drucktechniken für die Nanotechnologie im biomedizinischen Bereich beschäftigen, gehört auch die Technische Universität Delft. Um mehr über die von der Universität durchgeführten Forschungsprojekte zu erfahren und darüber, was es bedeutet, in diesem Bereich und bei der Realisierung von 3D-Mikrostrukturen zu arbeiten, haben wir Angelo Accardo, außerordentlicher Professor am Fachbereich für Präzisions- und Mikrosystemtechnik der TU Delft, interviewt.

Das Team der TU Delft mit Professor Angelo Accardo.
3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen?
Ich bin Angelo Accardo, außerordentlicher Professor am Fachbereich für Präzisions- und Mikrosystemtechnik an der Technischen Universität Delft (TU Delft) in den Niederlanden.
3DN: Wie haben Sie die additive Fertigung entdeckt?
Während meines Postdocs am LAAS-CNRS-Labor in Toulouse, Frankreich, begann ich, den Einsatz von licht-/laserunterstützten additiven Fertigungstechniken zu erforschen, insbesondere die Stereolithografie und die Zwei-Photonen-Polymerisation.
3DN: Was sind die wichtigsten Vorteile und Herausforderungen beim Einsatz des 3D-Drucks für 3D-Mikrostrukturen im biomedizinischen Bereich?
Diese Fertigungstechniken ermöglichen die Entwicklung von Mikro- und Nanostrukturen mit extrem hoher Auflösung (bis zu 100 Nanometer). In diesem Maßstab ist es möglich, Mikrogerüste zu schaffen, die biomimetisch mit gesunden oder kranken Zellen interagieren können. Mithilfe solcher Mikrostrukturen kann man verstehen, wie Zellen in einer Umgebung funktionieren, die der von natürlichem menschlichem Gewebe ähnelt. Der nächste Schritt wird darin bestehen, solche 3D-Mikrostrukturen in der Gewebezüchtung und der regenerativen Medizin, d. h. für die Regeneration von geschädigtem Gewebe, einzusetzen.
Andererseits besteht eine der größten Herausforderungen in diesem Bereich darin, solche Biomaterialien vollständig biokompatibel zu machen, um nachteilige Reaktionen des verbleibenden Gewebes zu vermeiden, aber auch biologisch abbaubar, damit sie „verschwinden“, sobald die Regeneration des fraglichen Gewebes erreicht ist. In dieser Hinsicht müssen Gerüste mit relativ großen Gesamtabmessungen (z. B. cm) verwendet werden. Die Zwei-Photonen-Fertigungstechnologie ist immer noch relativ „langsam“, wenn auch extrem genau. Es wird daher notwendig sein, neue Ansätze zu erforschen, um die Geschwindigkeit der Herstellung zu erhöhen, z. B. mithilfe der Zwei-Photonen-„Graustufen“-Lithographie oder Zwei-Photonen-Mehrstrahlsystemen, um nur einige zu nennen.
3DN: Womit befassen Sie sich derzeit in Ihrer Forschung?
Meine Forschung basiert auf dem Entwurf und der Herstellung von 3D-Mikrostrukturen für drei verschiedene Arten von Anwendungen: Mechanobiologie, In-vitro-Modelle von Krankheiten und Tissue Engineering. Der Artikel, der kürzlich auf dem Titelblatt der Zeitschrift Advanced Functional Materials veröffentlicht wurde, befasst sich mit dem ersten Fall: 3D-Nanostrukturen, die mithilfe der Zwei-Photonen-Polymerisation hergestellt werden, haben einen Durchmesser von einigen hundert Nanometern, der dem der Fasern in der extrazellulären Matrix des Gehirns sowie dem der Filopodien (den „Fingern“, mit denen die Zellen ihre Umgebung erkunden) ähnelt. Ihr Seitenverhältnis kann so eingestellt werden, dass ein relativ niedriger effektiver Schermodul (d. h. der Elastizitätsmodul, der von den Zellen festgestellt wird, wenn sie über die Nanostrukturen krabbeln) entsteht, der der Weichheit des menschlichen Hirngewebes nahe kommt. Diese topografischen und mechanischen Signale haben somit einen tiefgreifenden Einfluss auf das Wachstum und die Ausrichtung neuronaler Netzwerke.

Vergleich von Neuronen in einer 2D- (links) und 3D-Umgebung (rechts).
Im Vergleich zu herkömmlichen „Petrischalen“-Ansätzen, bei denen die Zellen auf flachen, sehr starren Kunststoff- oder Glasoberflächen kultiviert werden, liefert unser Ansatz physiologisch relevantere topografische und mechanische Signale und beeinflusst die Eigenschaften neuronaler Zellen erheblich, z. B. die Ausrichtung des neuronalen Netzes und die Morphologie der Wachstumszapfen (mit denen Neuronen die umgebende extrazelluläre Matrix sondieren, um sich mit anderen Neuronen zu verbinden). Die Entwicklung des neuronalen Netzes und die Morphologie der Wachstumszapfen können durch neurodegenerative Krankheiten wie die Alzheimer-Krankheit und die Parkinson-Krankheit beeinträchtigt werden. Mit unserem Ansatz haben wir gezeigt, dass es möglich ist, die Bildung physiologisch relevanter neuronaler Netzwerke zu steuern und die Morphologie von Wachstumszapfen quantitativ zu charakterisieren.
Ich sehe die Verwendung unserer Plattform als in vitro konstruiertes Krankheitsmodell vor, um den Einfluss der Hauptmerkmale der Alzheimer-Krankheit (Amyloid-Plaques, neurofibrilläre Tangles) und der Parkinson-Krankheit (Lewy-Körperchen) auf die Ausrichtung des neuronalen Netzwerks und die Entwicklung von Wachstumszapfen zu verstehen. Kürzlich haben wir auch 3D-Modelle für die Behandlung von Hirntumoren (Glioblastom) mit Hilfe der Protonentherapie entwickelt, einer Behandlungstechnik, bei der im Gegensatz zu Röntgenstrahlen (die in der Strahlentherapie verwendet werden) Protonen, also subatomare Bestandteile, zur Bekämpfung von Krebszellen eingesetzt werden.
Wir entwickeln dreidimensionale Strukturen, die das mikrovaskuläre System des Gehirns nachahmen, in dem Glioblastomzellen wachsen und sich vermehren. Ziel ist es, die Zellen mechanisch, biochemisch und geometrisch zu stimulieren, indem die Formen von Kapillaren und Blutgefäßen im Gehirn durch 3D-Strukturen aus Biomaterial nachgeahmt werden. Sobald die Glioblastomzellen in dieser biomimetischen 3D-Umgebung gezüchtet wurden, bringen wir sie in das Holland Proton Therapy Centre und setzen sie verschiedenen Strahlendosen aus. Auf diese Weise können wir versuchen, die Protonenstrahlung zu kalibrieren, die erforderlich ist, um die DNA der Tumorzellen zu schädigen, und das ohne Tiermodelle.
3DN: Welche Qualifikationen und Erfahrungen sind für Ihre Tätigkeit erforderlich?
Eine grundlegende technische oder physikalische Ausbildung ist nützlich, um eine für die wissenschaftliche Methode geeignete Forma mentis zu entwickeln. Im Laufe der Jahre lernt man jedoch neben der Technik auch zahlreiche andere Aspekte kennen, wie z. B. die Zellbiologie und die Neurowissenschaften. Um in den Niederlanden eine Professur zu bekommen, muss man auch Management- und Führungsqualitäten entwickeln, die es einem ermöglichen, nicht nur die eigene Forschungsgruppe zu leiten, sondern auch strategische Funktionen innerhalb der Universität zu übernehmen.
3DN: Welchen Rat würden Sie jemandem geben, der Ihren Beruf ausüben möchte?
Leidenschaft, Beharrlichkeit und Geduld. Diese Eigenschaften sind im akademischen Bereich und in der Forschung neben den oben genannten grundlegend. Darüber hinaus muss man ständig seine Neugierde pflegen und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sein, um Forschungsprojekte zu schreiben, die dann auch finanziert werden. Schließlich muss man ein Gespür für die Lehre haben, um nicht nur Wissen, sondern auch eine effiziente Arbeitsweise an die Ingenieure und Wissenschaftler von morgen weiterzugeben.
Was halten Sie von der Arbeit von Angelo Accardo, die additive Fertigung für 3D-Mikrostrukturen zu nutzen? Lassen Sie uns dazu einen Kommentar da, oder teilen Sie es uns auf Facebook oder LinkedIN mit. Wenn Sie mehr zum 3D-Druck in der Medizin lesen möchten, schauen Sie auf unserer Landing Page vorbei. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter.