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Solar Gate: Das erste adaptive Fassadensystem mit 4D-Drucktechnologie

Am 22. Januar 2025 von Kaja F. veröffentlicht

Der Komfort von Innenräumen erfordert in der Regel einen hohen Energieaufwand, wodurch Gebäude einen erheblichen Anteil an den weltweiten Kohlenstoffemissionen ausmachen. So wurden beispielsweise im Jahr 2020 in Einfamilienhäusern durchschnittlich 864 Petajoule Heizenergie verbraucht, ein enorm hoher Wert. Eine vielversprechende Lösung zur Reduzierung dieses Energiebedarfs für Heizung und Kühlung haben nun Forschende der Universitäten Stuttgart und Freiburg entwickelt. Hierbei handelt es sich um ein energieautarkes Fassadensystem, das sich dank des 4D-Drucks selbstständig an Wetterveränderungen anpasst. Darüber hinaus ist das Projekt von der Natur inspiriert, man spricht hier von der Biomimetik, die bereits zahlreiche technologische Innovationen hervorgebracht hat.

Solar Gate ist das weltweit erste adaptive Verschattungssystem, das wetterabhängig arbeitet und dabei keine elektrische Antriebsenergie benötigt. Als Vorbild diente der Kiefernzapfen, dessen Schuppen sich bei Veränderungen der Luftfeuchtigkeit oder Temperatur öffnen und schließen, ohne dabei Stoffwechselenergie zu verbrauchen. Aus diesem Prinzip heraus entwickelte das Team dann die richtungsabhängige Struktur der Zellulose in Pflanzengeweben nach, indem sie diese mit 3D-Druckern nachbildeten. „Wetterreaktive, architektonische Fassadensysteme sind meist auf aufwendige technische Vorrichtungen angewiesen. Unsere Forschung untersucht, wie wir die Reaktionsfähigkeit des Materials selbst durch computerbasierte Planungsmethoden und additive Fertigung nutzbar machen können. Wir haben ein Verschattungssystem entwickelt, das sich abhängig von den Wetterbedingungen selbstständig öffnet und schließt, ohne dass dafür jegliche Betriebsenergie oder mechatronische Elemente benötigt werden. Die Biomaterialstruktur selbst ist die Maschine“, erklärt Professor Achim Menges, Leiter des Instituts für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung sowie Sprecher des Exzellenzclusters Integratives Computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur der Universität Stuttgart.

Dank bioinspiriertem 4D-Druck und Zellulosematerialien aus nachwachsenden Rohstoffen hat das Team ein System entwickelt, das sich automatisch an Veränderungen im Wettergeschehen anpasst. (Bild: ICD/IntCDC Universität Stuttgart)

Die Wahl fiel auf Zellulose, da es sich um ein erneuerbares Material handelt, das reichlich vorhanden ist und auf Feuchtigkeitsveränderungen reagiert, indem es quillt oder schrumpft. Diese Eigenschaft wird als Hydromorphie bezeichnet und ist in der Natur weit verbreitet, wie etwa bei Kiefernzapfen. Das Team machte sich diese Eigenschaft zunutze und fertigte biobasierte Zellulosefasern, um im 4D-Druckverfahren eine zweischichtige Struktur zu erzeugen, die von den Schuppen des Kiefernzapfens inspiriert ist und ihre Form als Reaktion auf äußere Einflüsse selbstständig verändern kann.

Für Solar Gate entwickelten die Forscher zudem eine computergeschützte Herstellungsmethode zur Steuerung der Extrusion von Zellulosematerialien mittels einem Standard-3D-Drucker, die das selbstformende Verhalten von 4D-gedruckten Materialsystemen nutzt. Die gedruckten Elemente können sich einrollen oder öffnen und bei niedriger Luftfeuchtigkeit geben die Zellulosematerialien ihre Feuchtigkeit ab und ziehen sich zusammen, wodurch die gedruckten Elemente dann abflachen und sich dementsprechend schließen. „Inspiriert von den hygroskopischen Bewegungen von Kiefernzapfenschuppen und den Hochblättern der Silberdistel ist es beim Solar Gate gelungen, nicht nur die hohe Funktionalität und Robustheit der biologischen Vorbilder in ein bioinspiriertes Verschattungssystem zu übertragen, sondern auch die Ästhetik der pflanzlichen Bewegungen. Dies kann als ‚Königsweg der Bionik‘ betrachtet werden, da alles, was uns am biologischen Ideengeber fasziniert, auch im bioinspirierten architektonischen Produkt realisiert wurde“, sagt Professor Thomas Speck, Leiter der Plant Biomechanics Group Freiburg und Sprecher des Exzellenzclusters Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems (livMatS) der Universität Freiburg.

Die zweischichtige Struktur wird mit einem 4D-Druckverfahren aus zellulosehaltigen Materialien hergestellt. (Bild: ICD/IntCDC Universität Stuttgart)

Aber wie ie wird Solar Gate nun in die Architektur integriert? Die Funktionalität und Haltbarkeit des Systems wurden bereits ein Jahr lang unter realen Wetterbedingungen getestet. Anschließend wurde es an der livMatS Biomimetic Shell angebracht, dem Baudemonstrator des Exzellenzclusters IntCDC und des Exzellenzclusters livMatS, der als Forschungsgebäude der Universität Freiburg dient. Darüber hinaus ist das 4D-gedruckte Verschattungssystem an einem nach Süden ausgerichteten Dachfenster installiert und unterstützt damit die Klimaregulierung des Gebäudes.

Genauer gesagt öffnen sich die Elemente im Winter, um Sonnenlicht in das Gebäude zu lassen und es zu erwärmen, während sie sich im Sommer schließen, um eine Überhitzung zu verhindern. Der gesamte Prozess wird ausschließlich durch Wetterveränderungen gesteuert, was in Zukunft einen enormen Fortschritt in der Architektur bedeuten könnte und gleichzeitig das Potenzial von additiver Fertigung sowie Zellulose als Material verdeutlicht. Mehr über Solar Gate erfahren Sie HIER.

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*Titelbildnachweis: ICD/IntCDC Universität Stuttgart

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