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Was sind die Umweltauswirkungen von Nylon als 3D-Druckmaterial?

Am 19. Januar 2022 von Regina P. veröffentlicht
Nylon 3D-Druck

Nylon ist ein synthetisches Polymer, das zur Gruppe der Polyamide gehört. In der additiven Fertigung findet man den Stoff in Form von Filamenten (PA6) für das FDM-Verfahren oder in Pulverform (PA11 und PA12) für das selektive Lasersintern oder der MultiJet Fusion Technologie von HP. Obwohl Nylon ein weit verbreitetes Material in der 3D-Druckindustrie ist, wird die Nutzung häufig hinterfragt, da das Material nicht die nachhaltigste Option auf dem Markt darstelle. Dies sei auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, z. B. der Zusammensetzung der Polyamide, dem Grad der Recyclingfähigkeit und der Wiederverwendbarkeit des Materials bzw. der auftretenden Gasemissionen während des Herstellungsprozesses. Darüber hinaus wird das Umweltengagement für Unternehmen immer bedeutender und somit auch zunehmend in den Produktionsprozessen berücksichtigt.

Wenn wir den 3D-Druck mit Nylon untersuchen, wird klar, dass das Material je nach Art des Polyamids, seiner Herkunft und Zusammensetzung mehr oder weniger starke Auswirkungen auf die Umwelt hat. Um die Bedeutung des Kunststoffes für die Industrie und seine CO2-Bilanz besser zu verstehen, haben wir versucht, die Merkmale und Eigenschaften von Nylon sowohl in Pulver- als auch in Filamentform zu analysieren. Wir betrachten die Nutzung von PA6-Filamenten, den Unterschied zwischen PA11 und PA12, Initiativen zur nachhaltigen Verwendung und informieren über mögliche Alternativen.

Bild: FICEP S3

PA6, ein anspruchsvolles 3D-Druck-Filament

PA6-Filamente sind teilkristalline thermoplastische Polymere und gehören zu den am meisten verwendeten Polyamiden weltweit. Mit einem Schmelzpunkt von 220 °C wird PA6 aufgrund des guten Preis-/Leistungsverhältnisses in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt. Obwohl es traditionell in der industriellen Fertigung zur Anwendung kam, hat es aufgrund seiner interessanten mechanischen Eigenschaften und der Fähigkeit, hochleistungsfähige Teile zu fertigen, im 3D-Drucksektor zunehmend an Popularität gewonnen. Darüber hinaus ist PA6 im Vergleich zu Standardkunststoffen wie PLA oder ABS ein wesentlich schwieriger zu druckendes Material. Sein Betriebstemperaturbereich liegt bei 250-270°C, so dass eine geeignete Arbeitsumgebung gewährleistet sein muss, damit er nicht schrumpft.

Was die Herkunft betrifft, so unterscheidet sich Nylon von anderen Polyamiden dadurch, dass es mittels  Ringöffnender Polymerisation gebildet wird, d. h. durch einen Prozess, der Polymere synthetisiert. Dies macht es zu einem Sonderfall im Vergleich zu Kondensationspolymeren (das gesamte Monomermolekül wird Teil des Polymers) und Additionspolymeren (ein Teil des Monomermoleküls geht verloren, wenn es Teil des Polymers wird). Bei der Analyse der Umweltauswirkungen von Polyamid 6 und der Umstellung auf ein nachhaltigeres Material müssen zwei wichtige Aspekte berücksichtigt werden. Erstens der Produktionsprozess bzw. die Gewinnung des Materials und zweitens die Rohstoffe, die in diesen Umwandlungsprozess einfließen; beide bestimmen den Co2-Fußabdruck des Polyamids.

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PA6 ist ein anspruchsvolles 3D-Druck-Filament. | Bild: Sharebot

Zusammensetzung und Umweltauswirkungen von PA11 und PA12

Chemisch gesehen sind sich die Polyamide 11 und 12 sehr ähnlich, da sie sich nur durch ein Kohlenstoffatom in der Hauptkette des Polymers unterscheiden. Dieses eine Atom macht jedoch den großen Unterschied, da es darüber bestimmt, wie das Polymer zu Materie wird. Abgesehen davon unterscheiden sich die beiden Polyamidpulver vor allem in ihrer Herkunft. So ist PA11 ein teilkristallines Polymer, das aus einem „grünen“ Rohstoff durch ein Syntheseverfahren hergestellt wird, und somit eher PA6 als PA12 gleicht. Diese Art von Nylon ist biobasiert, d. h. das Material wird aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt, die aus pflanzlichen Derivaten, meist Rizinusöl, gewonnen werden. Polyamid 11 wird vor allem dort eingesetzt, wo eine gute chemische Beständigkeit, Flexibilität, geringe Permeabilität und Formstabilität notwendig sind. Das heißt, es eignet sich hervorragend für aggressive Umgebungen und zur Herstellung von funktionalen Prototypen, die schweren Bedingungen ausgesetzt werden.

PA12 hingegen ist ein synthetisches Feinpulver, das grundsätzlich aus Erdöl gewonnen wird. Die zu Grunde liegenden Eigenschaften werden durch die chemische Struktur des Polyamids sowie durch die Zugabe von Additiven oder Fasern, die der Zusammensetzung hinzugefügt werden können, bestimmt. Zu den wichtigsten Eigenschaften von PA12 zählen eine hohe Beständigkeit gegen Chemikalien, Umwelteinflüsse und Stöße sowie eine geringe Wasseraufnahme. Außerdem punktet das Material durch seine gute Verarbeitbarkeit und einer guten Abrieb- und Rutschfestigkeit. Zu den Hauptanwendungen des Kunststoffs gehören Industrien wie die Automobil- und Luftfahrtindustrie. Wie bereits erwähnt, ist dies auf seine hervorragenden mechanischen Eigenschaften zurückzuführen, was in diesen Branchen unabdingbar ist.

Zum besseren Verständnis der Unterschiede zwischen den beiden Polyamiden und insbesondere zur Herkunft gibt Sculpteo auf seiner Webseite folgendes an: „PA11 HP basiert zu 100 % auf erneuerbaren Biomassequellen. Die Rizinusbohne wird aus der Rizinuspflanze extrahiert, um Öl zu gewinnen. Das Öl wird dann in ein Monomer (11-Aminoundecansäure) umgewandelt, das schließlich polymerisiert wird. Dieses PA11-Material stellt eine nachhaltige Alternative zu PA12 dar, weil es interessante Eigenschaften für Bauteile bietet, die Hautkontakt erfordern. Zwecks Nachhaltigkeit sollte in erster Linie Nylon 11 als Biokunststoff bevorzugt werden, wenn der Anwendungsfall des 3D-gedruckten Teils dies erlaubt.“

Bild: Formlabs

In Anbetracht der Eigenschaften beider Polyamide scheint Biokunststoff auf den ersten Blick eine bessere Alternative zu herkömmlichem Kunststoff zu sein, da das Material zum Teil aus erneuerbaren Ressourcen hergestellt wird und biologisch abbaubar ist. Nuno Neves, Leiter der Abteilung Design bei FICEP S3, erklärt uns hierzu jedoch folgendes: „Um festzustellen, ob Biokunststoff im Vergleich zu konventionellem Kunststoff besser für unsere Umwelt ist, müssen wir mehrere Faktoren über den gesamten Lebenszyklus von konventionellem Kunststoff und Biokunststoff hinweg berücksichtigen, einschließlich der Produktion, der Treibhausgasemissionen und der Recyclingmöglichkeiten. Das ist etwas, was wir bei FICEP S3 mit jedem Material, das wir verwenden, und jedem Produkt, das wir entwerfen, tun. Wir treffen unsere Entscheidungen auf der Grundlage von Daten und der wissenschaftlichen Realität einer bestimmten Situation und nicht, weil wir auf einen umweltfreundlichen Zug aufspringen wollen.“ Nach diesen Ausführungen und unter Berücksichtigung der Eigenschaften von Nylon wollen wir uns nun mit seiner Verwendung im 3D-Druck und seiner Beziehung zur Nachhaltigkeit befassen.

Nylon, 3D-Druck und Nachhaltigkeit

Wie andere synthetische Kunststoffe, kann auch Nylon nicht biologisch abgebaut werden. Dies wäre bei anderen natürlichen Ressourcen wie Papier, Holz oder Glas der Fall, die mit der Zeit oxidieren und sich zersetzen. Damit die Entsorgung von Kunststoffen dennoch gelingen kann, müssen diese dem Recycling zugeführt werden, d. h. die Wiederverwertung der Kunststoffe. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass Biokunststoffe wie PA11 schwer zu recyceln sind, da die meisten Städte nicht über die notwendige Infrastruktur verfügen. Viele Kunststoffe landen deshalb auf Mülldeponien, wo ihnen der Sauerstoff entzogen wird. Dadurch entsteht Methan, das in die Atmosphäre abgegeben wird, ein Treibhausgas, das 23-mal umweltschädlicher ist als CO2, was zu einem stärkeren Ozonabbau beiträgt im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen.

Betrachtet man die kompatiblen 3D-Drucktechnologien, so kann festgestellt werden, dass der SLS-3D-Druck von Nylon in puncto Nachhaltigkeit einen entscheidenden Vorteil bietet. Nach Abschluss des Herstellungsprozesses sind die Teile von ungesintertem Pulver umgeben, das wiederum als Stütze für die gedruckten Teile dient. Bei der SLS-Technologie können bis zu 70 % des ungesinterten Pulvers wiederverwendet und für die nächsten Druckvorgänge eingesetzt werden. Für die Nachhaltigkeit und Wiederverwertbarkeit entsteht dadurch ein großer Vorteil gegenüber FDM-Verfahren, da Trägermaterialien nicht leicht wieder in neues Filament wiederverwertet werden können.

Bei der SLS-Technologie können bis zu 70 % des ungesinterten Pulvers wiederverwendet werden. | Bild: Arkema

Um die Umweltauswirkungen der Unternehmen zu bewerten und zu kontrollieren, integrieren immer mehr Akteure die so genannte CSR oder Corporate Social Responsibility, welche sich der Verantwortung der Organisation gegenüber der Umwelt widmet. Dieser Aspekt wird in der Tätigkeit aller Akteure des 3D-Drucks immer präsenter. Tatsächlich entwickeln viele Unternehmen der Branche bereits biobasierte Lösungen, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren.

Arkema zählt zu den renommiertesten Chemieunternehmen der Branche und vertreibt eine breite Palette von Materialien für die additive Fertigung, dazu zählt auch Nylon. Arkema verfügt über Expertise und Know-how in der chemischen Verarbeitung der Rizinuspflanze. Arkema kann eine breite Palette von hochleistungsfähigen, langkettigen, biologisch abbaubaren Polyamiden entwickeln, wie zum Beispiel die Rilsan® Polyamid 11-Reihe des Unternehmens beweist. Jean-Luc-Dubois, Head of Catalysis, Process and Biomass Conversion bei Arkema, kommentiert: „Unsere biobasierten Prozesse zeigen, dass man mit erneuerbaren Rohstoffen technische und kosteneffiziente Produkte herstellen kann, die der Marktnachfrage entsprechen.“

Zukunftsaussichten

Es kann nicht verleugnet werden, dass alle Materialien, die in der verarbeitenden Industrie verwendeten werden, gewisse Auswirkungen auf die Umwelt haben. Sei es durch die entstehenden CO2-Emissionen in der Produktion oder die entstehenden Abfälle. Momentan gibt es zwar noch keinen brauchbaren Ersatz für erdölbasierte Polyamide aber vielversprechende biobasierte Polyamide werden derzeit untersucht. Da der Ölpreis weiterhin schwankt und das Umweltbewusstsein auf Grund der Klimakrise zunimmt, ist es wahrscheinlich, dass in Zukunft mehr Alternativen zu den derzeitigen Nylon-Materialien entwickelt werden.

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Die additive Fertigungsindustrie bietet eine vielversprechende Zukunft in puncto Nachhaltigkeit. | Bild: FICEP S3

Wenn wir jedoch 3D-Druckverfahren selbst betrachten, so wissen wir, dass die Technologie die Herstellungszeiten und die Menge des verwendeten Materials reduziert. Zum Einsatz von Polyamid 11 erklärt das Arkema-Team auf seiner Webseite: „Immer mehr Unternehmen wollen saubere und nachhaltige Materialien. PA11 ist ein zu 100 % biobasiertes Polymer, das perfekt zu einer umweltfreundlichen Strategie passt und Unternehmen ermöglicht ihre CSR-Ziele zu erreichen“. Zur globalen Verwendung von Nylon vertritt Nuno Neves von FICEP S3 eine konträre Auffassung: „Die Lösung besteht nicht darin, die Herstellung und Verwendung von Kunststoffen auf Erdölbasis einzustellen, sondern diese intelligenter zu verwenden, sie richtig zu recyceln und nicht zu denken, dass alles, was ‚bio‘ ist, gleich gut ist, es ist nämlich selten so einfach“.

Es wird deutlich, dass die additive Fertigungsindustrie sich zwar auf dem richtigen Weg befindet, was die Verwendung von Nylon betrifft, die Industrie jedoch noch eine Herausforderungen meistern muss, damit „Bio“ tatsächlich mit einer nachhaltigen Produktion und geringeren Umweltauswirkungen gleichgesetzt werden kann.

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*Titelbildnachweis: Sculpteo

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