menu

Mobility goes Additive: „Additive Fertigung ist und bleibt eine krisenfeste und zukunftssichere Technologie mit Potential!“

Am 18. November 2024 von Astrid Z. veröffentlicht

Mobility goes Additive (MGA) gilt als eines der wertvollsten Netzwerke innerhalb der AM-Landschaft, da es Experten der Branche zusammenbringt und für einen regen Wissensaustausch zwischen seinen Mitgliedern sorgt. Ziel von MGA ist es, den Mehrwert der additiven Fertigung für Unternehmen hervorzuheben, die Inklusion von AM zu propagieren und Entwicklungsarbeit dort zu leisten, wo die additive Fertigung noch hinter ihren Potentialen zurückbleibt. Mit seiner Arbeit war das Netzwerk Wegbereiter für viele Unternehmen, die die additive Fertigung durch das Know-how der Mitglieder erfolgreich integrieren konnten und Startups, die es dadurch schafften, ihr Konzept in ein markttaugliches Produkt auszuarbeiten.

Im Jahr 2019 hatten wir bereits die Gelegenheit, uns mit Stefanie Brickwede, Managing Director von MGA, auszutauschen. In diesem Interview ging es um ihre Rolle als Head of Additive Manufacturing bei der Deutschen Bahn, darum, wie es zur Gründung von MGA kam, welche die damaligen Ziele waren und wie das Netzwerk seine Mitgliedern bis dahin unterstützen konnte. Wie wir wissen, hat sich die additive Fertigung in den letzten Jahren stetig weiterentwickelt und sieht sich aktuell mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Wir sprachen daher erneut mit Stefanie Brickwede, um mehr darüber zu erfahren, wie sich das Netzwerk angesichts dieser Herausforderungen im Feld der additiven Fertigung entwickelt hat und welche Ziele Mobility goes Additive derzeit verfolgt. Darüber hinaus war auch die Formnext ein Thema, die morgen (19.11) ihre Pforten öffnet. MGA wird dort am Stand D31 in Halle 11.1 zu finden sein und im Rahmen der Messe am 20.11. um 14:00 Uhr ein Medical Meeting zu Dental Additive Manufacturing Latest News & Highlights abhalten.

3DN: Was hat sich in den letzten Jahren (seit 2019) bei MGA geändert und wie hat sich Ihre Rolle im Laufe der Zeit entwickelt?

Stefanie Brickwede, Managing Director bei Mobility goes Additive

Seit unserem letzten Interview hat sich bei uns viel getan. Die Mitgliederzahl ist von etwa 90 auf über 150 gewachsen, und wir haben die Anzahl der Arbeitsgruppen von acht auf 16 verdoppelt. Früher lag der Fokus primär auf Mobilität am Boden, heute sind wir wesentlich breiter aufgestellt – „The sky is the limit“ trifft es nicht mal ganz, da wir mittlerweile auch eine Arbeitsgruppe zu Aerospace haben. Unter den anderen neuen Arbeitsgruppen finden sich Themen wie Verteidigung, Nachhaltigkeit, Construction und öffentlicher Nahverkehr. Gerade überlegen wir, eine Arbeitsgruppe zu Design und Lifestyle zu gründen, um auch in dieser Branche neue Geschäftsmöglichkeiten zu entwickeln. Jede Arbeitsgruppe verfolgt das Ziel, additive Fertigungstechnologien in spezifischen Bereichen voranzutreiben, um nicht nur die technologische Entwicklung zu fördern, sondern auch praktische Anwendungen und Nutzen zu generieren. Mit der neuen Division „Medical goes Additive“ und deren Arbeitsgruppen decken wir auch im Gesundheitsbereich ein breites Themenspektrum ab.

Auch der Markt selbst hat sich stark weiterentwickelt: Es gibt mittlerweile über 50 Drucktechniken und ein viel größeres Spektrum an Materialien. Diese Entwicklungen decken wir mit den neuen Arbeitsgruppen innerhalb unseres Netzwerks ab. Zudem ging es anfangs vor allem darum, Unternehmen miteinander zu vernetzen, heute treiben wir die additive Fertigung als gesamte Branche voran und adressieren dabei neue Themen wie eben Verteidigung und Nachhaltigkeit. Und auch international sind wir stark gewachsen.

Damit einhergehend hat sich im Laufe der Jahre meine Rolle natürlich deutlich weiterentwickelt. Mit den neuen Arbeitsgruppen konnte ich selbst meinen eigenen Blickwinkel erweitern. Ursprünglich komme ich aus der Bahnbranche, doch Medizin war für mich immer ein persönliches Interesse – es ist ein faszinierendes Feld, das mich seit Beginn für die additive Fertigung begeistern konnte. Früher lag der Schwerpunkt unseres Netzwerks mehr auf den technischen Aspekten, heute zählen auch Lobbyarbeit und die Sicherstellung finanzieller Mittel zu unseren Aufgaben. In diesen Bereichen habe ich in den letzten Jahren viel Erfahrung gesammelt und Kontakte für unsere Mitglieder geknüpft.

3DN: Wie hat sich das Netzwerk in den letzten Jahren entwickelt und was waren die größten Errungenschaften von Mobility goes Additive?

Unser Netzwerk wächst stetig, und mit ihm entstehen die neuen Arbeitsgruppen, die ich erwähnt hatte und die gezielt auf die sich wandelnden Bedürfnisse und Herausforderungen der Branche eingehen. Das Netzwerk umfasst heute über 150 Mitglieder, von denen fast die Hälfte aus Europa stammt. Wir sind aber auch weltweit vernetzt, mit Partnern von Singapur über die USA und Kanada bis Israel und Europa. Vertreten sind Akteure aus allen Bereichen der additiven Fertigung – also Drucker- und Materialhersteller, Softwareanbieter, Beratungen, Forschungsinstitute und Anwender. Ein Aspekt bleibt dabei unverändert: Unser Netzwerk ist nach wie vor nutzerorientiert!

In den letzten Jahren sind außerdem mehrere Startups aus unserem Netzwerk hervorgegangen, wir haben branchenspezifische Materialien entwickelt, zahlreiche Whitepaper und ein Buch über Change Management veröffentlicht und unsere Botschaft auf Hunderten von Konferenzen verbreitet, um die Branche weiter voranzutreiben. Zu unseren größten Erfolgen zählt sicherlich auch die Etablierung der Division „Medical goes Additive“ und das Programm „Women in Additive Manufacturing“, das 2018 ins Leben gerufen wurde. Gemeinsam mit dem VDI (Anmerkung: Verein Deutscher Ingenieure e.V.) organisieren wir außerdem jährlich einen 3D-Druck-Wettbewerb für Studierende, um mehr angehende Ingenieure und Manager für AM zu begeistern. Um diese Vielzahl an Aufgaben zu erfüllen, ist unser engagiertes Team stark gewachsen und hat sich verdoppelt.

Ein von MGA und Partnern veröffentlichtes Whitepaper zum nachhaltigen 3D-Druck.

3DN: Sie haben die Gründung von Medical goes Additive und Women in Additive Manufacturing erwähnt. Wie kam es dazu und was sind deren Ziele?

Die Gründung von Medical goes Additive war eine direkte Reaktion auf das Feedback unserer Mitglieder, die die Flexibilität und Agilität unseres Netzwerks schätzen. Die Nachfrage nach einem spezialisierten Bereich für medizinische Anwendungen stieg kontinuierlich, sodass wir diesen Bereich im Jahr 2019 aufbauten. Heute umfasst Medical goes Additive ein breites Themenspektrum, das von der Herstellung anatomischer Modelle bis hin zu personalisierten Implantaten und innovativem Bioprinting reicht. Unser Ziel ist es, die additive Fertigung im Gesundheitswesen voranzutreiben und das Potential dieser Technologie für bessere und individuellere medizinische Lösungen auszuschöpfen.

Mit Women in Additive Manufacturing möchten wir Frauen eine Plattform bieten, um sich zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und gegenseitig zu stärken. Aktuell liegt der Anteil von Frauen in der additiven Fertigung bei unter 15 %. Damit ist die Hälfte der potentiellen Kunden total unterrepräsentiert. Das schadet nachgewiesenermaßen dem Kundenfokus der AM-Unternehmen. Frauen haben einen anderen Blick auf den Markt, wie wir in diesem Format jedes Jahr feststellen. Und uns ist es wichtig, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem Frauen sich sicher und gestärkt fühlen, bevor sie sich dann auf die großen Bühnen begeben.

3DN: Was sind generell die derzeit relevanten Ziele von Mobility goes Additive und wie können diese erreicht werden?

Ein zentrales Ziel ist es, die Anzahl additiv gefertigter Bauteile weiter zu steigern und bestehende Hürden zu reduzieren. Dafür setzen wir uns auch verstärkt international ein und knüpfen Verbindungen zu wichtigen Akteuren und Netzwerken weltweit. Politische Entscheidungsträger sind für uns ebenfalls essenziell, da wir sie für die Vorteile der additiven Fertigung gewinnen und die nötigen Rahmenbedingungen etablieren wollen. Unsere Mission und Vision sind klar darauf ausgerichtet, die additive Fertigung auf ein neues Niveau zu heben und international zu etablieren.

3DN: Mit welchen Schwierigkeiten sehen Sie sich als Netzwerk in Bezug auf die Herausforderungen in der Industrie konfrontiert?

Eine der größten Herausforderungen ist, dass noch immer viele Unternehmen kaum Berührungspunkte mit der additiven Fertigung haben und dieses Potential ungenutzt lassen. Zwar hat sich die Industrie weiterentwickelt und folgt zunehmend industriellen Standards, doch es bleibt ein langer Weg, bis ein einheitlicher politischer Rahmen geschaffen ist. Auch das Thema Normung ist von großer Bedeutung: Um die Anzahl gedruckter Teile zu erhöhen, braucht es mehr und klar definierte Normen – das mag nicht besonders glamourös wirken, bildet jedoch die Grundlage, um den Schritt von einer „Maker-Kultur“ hin zu einer industriellen Fertigung zu vollziehen. Zudem beobachten wir geopolitische Veränderungen, die neue Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere im asiatischen Markt, der sich schnell und effizient entwickelt. Cybersecurity ist hier aber weiterhin ein besonders kritisches Thema. Nicht zuletzt wird es spannend sein zu sehen, wie sich die transatlantische Kooperation und der Markt aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen weiterentwickeln wird. Wir brauchen als Europäer eine – auch politisch unterstützte – Roadmap mit entsprechend flankierenden Fördermaßnahmen und strukturellen Rahmenbedingungen.

3DN: Ab morgen startet die Formnext und die Herausforderungen, von denen Sie sprachen, werden dort sicher ein Thema sein. Die Messe ist aber auch ein Ort des Vernetzens. Wie profitieren Sie als Netzwerk von Veranstaltungen wie der Formnext oder Ihren eigenen Events?

Veranstaltungen sind für uns der Motor des Netzwerkens, denn der persönliche Austausch ist durch nichts zu ersetzen. Besonders nach der Pandemie haben Events wieder an Bedeutung gewonnen. Ein neuer Trend, den wir beobachten, ist der Bedarf an inhaltsgetriebenen und branchenspezifischen Events – sie helfen uns, die „Bubble“ zu verlassen und spezifische Anwender anzusprechen. Unsere eigenen Events wie das Annual Meeting bieten uns dabei die Möglichkeit, gezielt Mitglieder anzusprechen und Themen aufzugreifen, die sonst selten auf großen Bühnen behandelt werden. Besonders stolz sind wir auch, dass das MGA Medical Team dieses Jahr das erste European Healthcare Forum for AM (EHFAM) organisiert hat, um medizinische Anwendungen der Additiven Fertigung sichtbar zu machen und mit Ärzten am Point of Care sowie Gesundheitsunternehmen zu sprechen.
Die bedeutendsten internationalen AM-Events wie Formnext, das AM Forum und natürlich auch internationale Konferenzen sind nach wie vor unverzichtbar für unsere Arbeit als Netzwerk. Sie helfen uns, den Anschluss an internationale Entwicklungen zu halten und die Sichtbarkeit unserer Mitglieder zu stärken. Besonders in Deutschland ist die 3D-Druck-Community gut entwickelt, während in anderen Ländern noch Nachholbedarf besteht. Dort sehen wir einen großen Bedarf an AM-spezifischen Veranstaltungen. Auch Gemeinschaftsstände, z. B.  der Bahnindustrie, auf internationalen Messen bieten spannende Anknüpfungspunkte, um AM-Anwendungen branchenübergreifend zu präsentieren.

Teilnehmer eines Workshops des 1. European Healthcare Forum for Additive Manufacturing bei einer Simulation mit 3D-gedruckten Augen.

3DN: Wo sehen Sie persönlich Trends und das „nächste große Ding“ in der additiven Fertigung?

Ein großes Thema ist derzeit das Beton-Drucken im Bausektor. Additive Fertigung ermöglicht es, Baumaterialien und Emissionen zu sparen und gleichzeitig eine höhere Automatisierung zu erreichen – was angesichts des Fachkräftemangels von großer Bedeutung ist. Die Welt wird zunehmend instabiler, und die additive Fertigung bietet die Möglichkeit, flexibel und unabhängig von bestimmten Standorten und Lieferketten zu produzieren. „produce locally“ erfährt mittlerweile politisch getrieben zunehmende Bedeutung und das nicht nur aus ökologischen Gründen.

Darüber hinaus setzen wir verstärkt auf Leichtbau. Auch der Fokus hin zur Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Produktion ist eindeutig zu erkennen. Im medizinischen Bereich ergeben sich natürlich auch spannende neue Anwendungen, die beispielsweise Tierversuche reduzieren oder personalisierte Lösungen bieten. Ein weiterer Trend ist das Drucken von Lebensmitteln, das auch ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Mittelfristig, also in den nächsten fünf Jahren, wird auch das Drucken von Elektronik eine zunehmend wichtige Rolle spielen.

3DN: Möchten Sie noch etwas anmerken?

Das Potential der additiven Fertigung ist nach wie vor enorm und die Branche entwickelt sich zunehmend aus der Nische heraus hin zu breiter Akzeptanz. Ich kann Unternehmen nur empfehlen, diese Technologie in ihren Innovationsprozess zu integrieren. Aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen: Es lohnt sich, den Schritt zu wagen – additive Fertigung ist und bleibt eine krisenfeste und zukunftssichere Technologie mit Millionen Euro Potential!

Die MGA Mitglieder beim jährlichen Annual Meeting im Oktober 2024.

Mehr zu Mobility goes Additive finden Sie auf der Website HIER. Werden Sie den Stand von MGA auf der Formnext besuchen? Lassen Sie uns dazu einen Kommentar da, oder teilen Sie es uns auf Facebook oder LinkedIN mit. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter.

*Titelbild: Berlins regierender Bürgermeister Kai Wegner zu Besuch im MGA Büro. Bildnachweis: Senatskanzlei Berlin

Teilen Sie Ihre Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

de_DEen_USes_ESfr_FRit_IT
Bleiben Sie auf dem Laufenden
Erhalten Sie jeden Mittwoch eine Zusammenfassung der neusten News rund um den 3D-Druck

3Dnatives is also available in english

switch to

No thanks