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Massenproduktion und 3D-Druck: Wo stehen wir?

Am 18. November 2020 von Michelle J. veröffentlicht

Die additive Fertigung ist heute bei der Herstellung von Fertigteilen weit verbreitet, ein Trend, der durch die jüngste Studie von Sculpteo „The State of 3D printing“ bestätigt wird. Diese Studie hat gezeigt, dass mehr als 50% der befragten Unternehmen 3D-Technologien nicht für das Prototyping, sondern für die Endproduktion verwenden. Aber was ist mit der Anzahl der Teile, die für ein und dieselbe Serie tatsächlich in 3D gedruckt werden? Die additive Fertigung ist im Allgemeinen nicht die bevorzugte Produktionsmethode, wenn es darum geht, das gleiche Teil in sehr hohen Stückzahlen zu produzieren, da die Vorlaufzeiten nicht mehr so kurz wie bei herkömmlichen Methoden und die Kosten nicht mehr so niedrig sind. Die Hersteller neigen dazu, den Spritzguss zu bevorzugen, weil es schneller und günstiger ist. Und doch beginnen sich immer mehr Hersteller mit dem Gedanken zu spielen den 3D-Druck zur Massenproduktion einzusetzen. Wie kann der 3D-Druck zur Herstellung desselben standardisierten Teils in astronomischen Mengen verwendet werden? Heute stellen wir Ihnen einige Beispiele vor, die Massenproduktion und 3D-Druck kombinieren und damit das Potenzial dieser industriellen Technologie deutlich machen. Sie sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.

Adidas und Carbon: Schuhe für Tausende

Im April 2017 kündigte der berühmte Ausrüstungshersteller Adidas eine bedeutende Partnerschaft mit Carbon an. Gemeinsam starteten sie die Produktion von 100.000 Paar Future Craft 4D. Bei Future Craft 4D handelt es sich um einen Schuh mit 3D-gedruckter Zwischensohle! Mit Hilfe der Digital Light Synthesis (DSL)-Technologie des amerikanischen Unternehmens, Carbon, soll Adidas in der Lage sein, eine Sohle in nur 19 Minuten zu drucken. Dies würde dem Träger mehr Komfort und Flexibilität bieten. Wenn die additive Herstellung gewählt wurde, um so viele Schuhe herzustellen, dann deshalb, weil sie es ermöglicht, diese Gitterstruktur zu erhalten, die das Gesamtgewicht des Schuhs reduziert und genau auf die Bewegungen jedes einzelnen Athleten reagiert und somit eine bessere Dämpfung und sehr gute Stabilität bietet.

Massenproduktion

Align Technology: Massenproduktion, 3D-Druck und kundenspezifische Anpassung

Das amerikanische Unternehmen Align Technology hat sich auf das 3D-Drucken kieferorthopädischer Lösungen spezialisiert und ist insbesondere für die Entwicklung von Invisalign, den maßgefertigten Zahnschienen, bekannt. Für den Entwurf der Form  der Zahnschiene verwendet das Unternehmen SLA-Maschinen von 3D Systems. Vor Verwendung durch den endgültigen Patienten, werden sie dann noch thermogeformt. Jedes Gerät wird natürlich maßgefertigt, angepasst an die Anatomie seines Trägers. Die berühmten Invisalign sind somit ein perfektes Beispiel für die Kombination von Personalisierung, Massenproduktion und 3D-Druck: Align Technology soll heute mehr als 320.000 Stück pro Tag drucken! Außerdem sollen heute mehr als 9 Millionen Menschen diese transparenten Zahnschienen nutzen.

Chanels Mascara-Bürsten

Bereits 2018 wurde die Mascara-Bürste Volume Révolution von Chanel in Zusammenarbeit mit Erpro 3D Factory entwickelt. Erpro 3D Factory ist ein Startup, das von dem Erpro Konzern gegründet wurde und auf additive Massenproduktion spezialisiert ist. Chanel hatte tatsächlich bereits vor etwa zwanzig Jahren ein Interesse an 3D-Drucktechnologien entwickelt und 2007 sogar ein Patent für diese 3D-gedruckte Mascara angemeldet! Die französische Luxusmarke entschied sich für eine Partnerschaft mit der Erpro Group, um dieses Design im industriellen Maßstab zu entwickeln. Die Erpro 3D Factory erklärt, dass sie seit 2017 17 Millionen Teile in 3D gedruckt hat und 15 Maschinen betreibt, die rund um die Uhr arbeiten können. Auf diesen Maschinen werden die Mascara-Bürsten von Chanel mit SLS-Technologie hergestellt: 250.000 pro Woche. Im Anschluss an die Volume Révolution beschloss Chanel, noch einen Schritt weiter zu gehen und E.Y.E. zu produzieren, eine neue Reihe von 3D-gedruckten Mascaras, die 10 exklusive Bürsten umfasst. Die additive Fertigung ermöglichte es den Designern, den zeit- und kostenaufwändigen traditionellen Prozess der Formherstellung zu umgehen. Es ermöglichte auch die Feinabstimmung des Pinseldesigns anhand von über 100 Prototypen. Chanel erklärte, dass das einzigartige Design der Bürste mit konventioneller Fertigung nicht möglich gewesen wäre.

Massenproduktion

Formlabs und seine 3D-gedruckten Tupfer

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie im Westen stellten mehrere 3D-Druckunternehmen ihre Hardware in den Dienst des medizinischen Sektors. In den USA konzentrierte sich Formlabs auf den 3D-Druck von Nasentupfern zum Testen von Patienten. Der von ihnen entwickelte Tupfer konnte in einem Stück gedruckt werden, wobei die biokompatiblen und autoklavierbaren Materialien des Herstellers (wie sein chirurgisches Führungsharz) verwendet wurden. Formlabs war in der Lage mit seinen 3D-Druckern 1 Million Tupfer pro Woche herzustellen. Diese Produktionsrate war notwendig, um den dringenden Bedarf im Land zu decken. Formlabs erklärte, dass sie 250 ihrer SLA-Maschinen während der Produktionsspitze in Betrieb genommen hatten. „Wir haben von der FDA eine Benachrichtigung erhalten, dass es sich um ein freigestelltes Produkt der Klasse 1 handelt, solange es in einer ISO 135-kontrollierten Anlage hergestellt wird“, hatte Formlabs-Produktmanager David Lakatos erklärt – dies ermöglichte eine noch schnellere Lieferung auf den Markt. Weitere Informationen hinter diesem Projekt finden Sie im folgenden Video:

GE Additive und Safran stellen Treibstoffdüsen her

Die Massenproduktion ist eine Herstellungsmethode, die GE Additive schon immer berücksichtigt hat. In Zusammenarbeit mit Safran Aircraft Engines, einem weltweiten Anbieter von Flugzeugtriebwerken, konnte GE durch additive Fertigung mehr als 30.000 Treibstoffdüsen für Verkehrsflugzeuge herstellen. Sie nutzten das 3D-Druckerwerk von GE Aviation in Auburn, Alabama. Heute verfügt das Werk über mehr als 40 3D-Drucker, die mit Titanpulver arbeiten. Insgesamt wurde das Gewicht der Düsen um 25 Prozent reduziert, und sie konnten die Anzahl der Düsenteile (ca. 20) auf ein komplettes Teil verringern. Der Hersteller sagt, es gehe nicht nur darum, Tausende von Teilen zu produzieren, sondern er wolle für sein Unternehmen die Rolle und Funktionsweise der additiven Fertigung in der Massenproduktion demonstrieren. Für das Unternehmen ist dies eines der bekanntesten Beispiele dafür, wie man die Produktion rationalisieren, Kosten senken und Zeiten verkürzen kann.

Photocentric nutzt den 3D-Druck für die Massenproduktion, um bei der Bekämpfung der Pandemie zu helfen

Das britische Unternehmen Photocentric ist auf Kunststoffpolymere und insbesondere auf die Stereolithographie-Technologie spezialisiert. Mitte März ging der Hersteller in die Massenproduktion für die Herstellung von Ventilen, die mit Atemschutzgeräten kompatibel sind. Das Ziel? Linderung der durch Covid-19 verursachten Gesundheitskrise und Hilfe für hospitalisierte Patienten. So verwendete das Unternehmen drei 3D-Harzdrucker: den Magna, den Titan und den Maximus, die in einer Nacht mehr als 600 Ventile druckten. Das Photocentric-Team sagte, dass sie mit ihren Liquid Crystal 3D-Druckern mehr als 40.000 Ventile pro Woche herstellen könnten. Dazu müssten sie an 5 Tagen in der Woche 24 Stunden am Tag arbeiten. Dennoch ist die Zahl der Ventile, die erreicht werden konnten, enorm. Dieses Beispiel zeigt, wie es die additive Fertigung geschafft hat, reaktiv zu sein und eine Lösung für ein bestehendes Problem zu bieten, während dies mit traditionellen Methoden undenkbar gewesen wäre.

Massenproduktion

Rehook, das Hilfsmittel, um die Kette wieder aufs Fahrrad zu bekommen

Die Kette wieder auf das Fahrrad zu bekommen, kann kompliziert und schmutzig sein. Rehook ist die Lösung für dieses Problem. Das Konzept ist einfach: Ein Haken wird zum Halten der Kette verwendet und ein speziell konstruierter Stift hält die Spannung der Kette, so dass man in der Lage ist diese mit nur einer Hand wieder aufs Fahrrad zu ziehen und das ohne in direkte Berührung mit ihr zu kommen. Die Entwicklung des Hilfsmittel schloss unterschiedliche 3D-Drucker mit ein. Zur Entwicklung des Designs wurde ein MakerBot verwendet, um schnell und kostengünstig Prototypen herzustellen. Nach einigen Anpassungen und Verbesserungen stand das Design fest, und so wurden unterschiedliche 3D-Drucktechnologien, sowie Materialien zur Herstellung ausprobiert durch das Serviceangebot von 3DHubs. Dabei erwies sich SLS als das geeignetste Verfahren zur Herstellung des Hilfsmittels.

Daraufhin wandte sich das Unternehmen an den SLS-3D-Druckanbieter 3D Print Direct. Dieser hatte eine Kapazität von etwa 400 Einheiten pro Monat, was ausreichend war, um einen ersten Pilotversuch zu starten. Mittlerweile wurden mehrere Tausende Hilfsmittel verkauft und es ist auf allen europäischen Amazon-Seiten zu finden. Um die steigende Nachfrage zu decken, entschied sich das Unternehmen auf Spritzguss umzustellen. Dennoch lässt sich festhalten, dass ohne den 3D-Druck dieser Erfolg nicht möglich gewesen wäre, da das Unternehmen nur ein sehr geringes Budget zur Verfügung hatte und die Entwicklung mit herkömmlichen Fertigungsmethoden schlichtweg zu teuer gewesen wäre.

VormVrij 3D stellte seine 3D-Tondrucker in der Massenproduktion unter Beweis

In 2017 kontaktierte Studio Unfold VormVrij 3D mit einem Auftrag, der die 3D-Tondrucker des niederländischen Herstellers unter Beweis stellen würde. Gefordert wurden 400 3D-gedruckte Tonbecher innerhalb von 14 Tagen. Um dieses Ziel zu erreichen, galt es den Druck zu optimieren. Yao vd Heerik, CEO und Chefentwickler bei VormVrij3D erklärte: „Für die Massenproduktion mussten wir den Druck optimieren. Das Design dieses speziellen Bechers ist etwas zinnenartig mit scharfen Ecken. Dies würde keine maximalen Druckgeschwindigkeiten zulassen, da die Richtungsverschiebungen an diesen Punkten das gedruckte Objekt zum vibrieren bringen könnten, wenn mit hoher Geschwindigkeit gedruckt wird.“

Im Endeffekt wurden die Tonbecher mit einer durchschnittlichen Schichthöhe von 1 mm, mit einer 3 mm stabilen Wandstärke und Druckgeschwindigkeiten zwischen 10 und 40 mm pro Sekunde, in Fünferreihen in etwas mehr als einer Stunde gedruckt. Um das Produktionsvolumen noch weiter zu erhöhen, wurden vier Drucker zeitgleich benutzt. Nach dem Druck mussten die Tonbecher noch nachbearbeitet werden, was unter anderem glasieren beinhaltete. Danach wurden die Becher von Studio Unfold verpackt und verschickt. Aufgrund des zufriedenstellendes Ergebnisses erhielt VormVrij 3D Folgeaufträge von Studio Unfold, so dass insgesamt 1.200 Tonbecher innerhalb von sechs Wochen in 3D-gedruckt wurden.

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