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Jackson Pollock + Künstliche Intelligenz = neues 3D-Druckverfahren?

Am 4. Dezember 2023 von Astrid Z. veröffentlicht
Pollock 3D-Druck

Jackson Pollock ist einer der bedeutendsten amerikanischen Künstler des 20. Jahrhunderts und hat die kontemporäre Kunst maßgebend mitgestaltet. Oft dem abstrakten Expressionismus zugeordnet, hat er sich vor allem durch sein action painting abgehoben und Ende der 1940er Jahre eine eigene Technik entwickelt, die Tropfmalerei, die oft als drip painting oder auch einfach als dripping bezeichnet wird. Dafür arbeitete er auf dem Boden und tropfte die Farbe auf die Leinwände oder ließ das Farbmaterial direkt aus der Dose darauf fließen. Was wie wahlloses darauf-los-Tröpfeln erscheinen mag, ist eine kontrollierte Technik, bei der Pollock den Farbfluss stetig kontrollierte und so nach seinen Wünschen auf die Leinwand brachte. Beim action painting zeichnete er die Formen in die Luft, wobei die Farben dann im angestrebten Muster durch die Schwerkraft begünstigt zu Boden auf die Leinwand tröpfelten.

Wissenschaftler am Soft Math Lab der Harvard Universität ließen sich von Pollocks Ansatz inspirieren, um eine neue 3D-Drucktechnologie zu erforschen. Bei den derzeitigen Extrusionsverfahren befindet sich die Düse nur wenige Millimeter von der Bauplatte oder der letzten Schicht des zu druckenden Objekts entfernt, um die dynamische Instabilität des Materialstroms zu kontrollieren und  Druckfehlern vorzubeugen. Das Problem dabei ist ein physikalisches. Die Druckmaterialien unterliegen den physikalischen Prinzipien der Flüssigkeitsdynamik. Fallen Flüssigkeiten aus großer Höhe, werden sie instabil. Der Strom faltet sich oder rollt sich in sich zusammen. Das kann man ganz einfach auch selbst zuhause feststellen, ob mit Wasser, Honig, Schokosoße. Pollock schien in seinen Maltechniken diesen Strahl allerdings kontrolliert zu haben und das veranlasste das Forschungsteam aus Harvard zur Fragestellung für die Studie: Kann eine Maschine so trainiert werden, dass sie wie Pollock malt? Mit anderen Worten: Kann der 3D-Druck Pollocks Techniken nutzen, um zügig und präzise komplexe Objekte und Formen zu drucken?

Drip stil Pollock

Number 1 (Lavender Mist), 1950 von Jackson Pollock mit dripping-Technik gefertigt. (Bild: Wikimedia Commons)

Um dies zu untersuchen, ist es maßgeblich, die Instabilitäten der Flüssigkeiten für sich nutzen zu können, indem man sie gründlich erforscht, kontrolliert und iterativ anwendet. „Wir wollten eine Technik entwickeln, die sich die Instabilitäten beim Falten und Wickeln zunutze macht, anstatt sie zu vermeiden“, sagt Gaurav Chaudhary, Mitglied der Forschungsgruppe rund um den Leiter Lakshminarayanan Mahadevan und Erstautor der Studie Learning to write with the fluid rope trick, die am 23.10.2023 in der Fachzeitschrift Soft Matters veröffentlicht wurde. Um den  Pollockschen „Flüssigkeitsseiltrick“ auch für den 3D-Druck anzuwenden zu können, profitierte die Forschungsgruppe von den ehemaligen Forschungen des Studienleiters Mahadevan. In seinen bisherigen Arbeiten untersuchte der indisch-amerikanische Biologe und Mathematiker die mathematischen Eigenschaften von Objekten oder gar Materialien, wie Insektenflügeln, Pilzbewegungen oder eben der Tropfenbildung von Flüssigkeiten. Er war es auch, der vor über 20 Jahren eine physikalische Erklärung dazu lieferte und Pollocks intuitiver Nutzung einen physikalischen Background zusprach. Sein Motto lautet stets, die Physik aktiv für sich zu nutzen, statt sie zu umgehen. Die Forscher kombinierten so Physik und KI, um Pollocks drip paint-Methode auf einen schnellen und präzisen 3D-Druck anwenden zu können.

Ziel der Forschung war es nicht, einen neuen Pollock durch Algorithmen zu schaffen. Im Fokus stand viel mehr, die karriereprägende Technik des Künstlers in der additiven Fertigung nachzuahmen und so den 3D-Druck von komplexen Formen aus weiterer Entfernung zur Druckplatte umzusetzen und schneller zu drucken. In physikalischer Hinsicht bedienten sich die Wissenschaftler der Erkenntnisse der Strömungsmechanik, die auch Pollock für sich zu nutzen wusste. „Wenn man sich herkömmliche 3D-Drucker ansieht, gibt man ihnen einen Weg von Punkt A nach Punkt B vor, und die Düse gibt die Tinte entlang dieses vorgegebenen Weges ab“, sagt Gaurav Chaudhary und fährt fort: „Aber Pollocks Ansatz, die Farbe aus der Höhe zu werfen, bedeutete, dass die Farbe, selbst wenn sich seine Hand in einer bestimmten Flugbahn bewegte, dieser Flugbahn aufgrund der durch die Schwerkraft gewonnenen Beschleunigung nicht folgte. Eine kleine Bewegung konnte zu einem großen Farbspritzer führen. Mit dieser Technik kann man größere Längen drucken, als man sich bewegen kann, weil man diese kostenlose Beschleunigung durch die Schwerkraft erhält.“

Pollock spielte bei seinen Projekten mit dem Aufrollen von Flüssigkeiten. Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann eine Maschine lernen, diesen Stil zu imitieren. (Bild: SEAS Harvard)

Für den erfolgreichen Druck war es allerdings entscheidend, das Einrollen der Flüssigkeiten aus größerer Entfernung zu steuern, das heißt, die Düse des 3D-Druckers musste in der Lage sein, den Flüssigkeitsstrom zu kontrollieren. Um der Düse das „beizubringen“, setzten die Wissenschaftler auf Machine Learning, genauer gesagt auf das Deep Reinforcement Learning. Dabei handelt es sich um einen algorithmischen Ansatz zur iterativen Leistungsverbesserung. „Mit Deep Reinforcement Learning kann das Modell aus seinen Fehlern lernen und mit jedem Versuch genauer werden“, so Chaudhary. „Die Methode geht davon aus, dass ein Lernender (Düse) wiederholt mit der Umgebung (einem viskosen Filamentsimulator) interagiert und seine Strategie anhand der Ergebnisse dieser Erfahrung verbessert.

Die Methode erinnert ein bisschen an das Überziehen von Weihnachtsplätzchen mit Zuckerguss. Tatsächlich dekorierten die Forscher zum Testen ihrer Methode auch Kekse mit Schokosirup und druckten verschiedene komplexe Formen. Im Rahmen der Studie wurden zwar nur einfache Flüssigkeiten verwendet, der Ansatz könne in Zukunft aber auch auf flüssige Polymere, Pasten und Lebensmittel ausgeweitet werden und neue Horizonte im 3D-Druck öffnen, so die Meinung der Wissenschaftler. „Physikalische Prozesse für funktionale Ergebnisse zu nutzen, ist sowohl ein Kennzeichen intelligenten Verhaltens als auch das Herzstück der technischen Entwicklung. Dieses kleine Beispiel zeigt einmal mehr, dass das Verständnis der Entwicklung des Ersten uns helfen könnte, das Zweite besser zu beherrschen“, verlautete Mahadevan. Mehr dazu finden Sie HIER.

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*Titelbildnachweis: Soft Math Lab/Harvard SEAS

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