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Interview: AM Polymers über die Entwicklung innovativer Kunststoffpulver für die additive Fertigung

Am 16. November 2021 von Regina P. veröffentlicht

Der 3D-Druck hat sich als Technologie von einem Werkzeug für das Prototyping zu einem beliebten Fertigungsverfahren entwickelt. Inzwischen werden auch technische Bauteile umgesetzt und für industrielle Zwecke eingesetzt. So profitieren heute die verschiedenste Branchen, von der Automobilindustrie bis zur Luft- und Raumfahrt, von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten der additiven Fertigung. Damit die Vorteile des 3D-Drucks gegenüber traditioneller Verfahren von den Unternehmen jedoch wirklich ausgeschöpft werden können, ist aber längst nicht nur die Wahl des geeigneten Verfahrens von Bedeutung. Nur mit einer geeigneten Auswahl an Materialien kann eine neue Technologie auch ihre industrielle Anwendung und Reife finden. AM Polymers, Experte für die Herstellung qualifizierter Kunststoff-Pulver für das pulverbettbasierte Laser-Sintern (SLS) und High Speed Sintering (HSS), gehört zu den Vorreitern am Markt wenn es um die Entwicklung von qualifizierten Pulvermaterialien mit spritzgussnahen Eigenschaften geht. Wir haben mit den beiden Firmengründern Andreas Wegner und Timur Ünlü gesprochen, um mehr über die Materialvielfalt am Markt für die additive Fertigung herauszufinden. Die beiden Experten erklären im Interview, wie es ihnen gelingt diese Bandbreite zu erweitern.

3DN: Können Sie sich selbst und Ihre Verbindung zum 3D-Druck kurz vorstellen?

Andreas Wegner: Das gesamte AMP Team kam bereits im Rahmen eines Studiums oder durch die Verwendung eigener 3D-Drucker, mit der Technologie in Berührung. Ich beschäftige mich seit 2007 mit dem 3D-Druck. Während meiner Promotion an der Universität Duisburg habe ich meine Aufmerksamkeit insbesondere auf das Laser-Sintern von Kunststoffen gerichtet – mit einem Fokus auf ein tiefes Prozessverständnis sowie von robusten Prozessen. Dabei habe ich früh die Notwendigkeit erkannt, die Materialpalette für das Laser-Sintern zu erweitern, um den 3D-Druck für bislang verschlossene Anwendungen nutzbar zu machen. Aus diesem Grund habe ich 2012 mit der Entwicklung neuer Pulvermaterialien begonnen. 

Timur Ünlü: Als Physikingenieur bin ich wohl der Exot bei der AMP. Trotzdem sind Laser, Lichtabsorption, Licht-Festkörper-Interaktion, Voxel, 3-dimensionale techn. Orientierung etc. keine Fremdbegriffe für mich gewesen. Mein Interesse am 3D Druck wurde 2012 durch einen Artikel über das Laser-Sinter-Verfahren in der Neuen Züricher Zeitung geweckt. Zu dem Zeitpunkt war ich bereits technischer Geschäftsführer bei einem Schweizer Polymerpulverhersteller. Meine Aufgabe war es neue Märkte zu erschließen und somit wurde ich auch auf pulverbasierte 3D-Druckverfahren aufmerksam. Im Jahr 2013 bin ich dann durch ein Scouting auf die Veröffentlichungen von Andreas gestoßen. Schnell entwickelte sich ein fachlicher Austausch und der Startschuss für die Entwicklung von industriell einsetzbaren Kunststoffpulvern für den 3D-Druck. 

3DN: Mit welcher Mission wurde AM Polymers gegründet? 

AW: Die gestarteten Entwicklungen aus meiner Promotion mündeten in der Gründung der AM Polymers im Jahr 2014. Nachdem ich bereits 2013 mit Timur erste Materialien erfolgreich für das Laser-Sintern qualifizieren konnte, stellte sich die Frage nach der Kommerzialisierung der Pulvermaterialien. Unser Auftrag ist seither qualifizierte Pulvermaterialien mit spritzgussnahen Eigenschaften und einfacher Verarbeitung anzubieten. Der Fokus liegt hier auf traditionell im Spritzguss verbreiteten Thermoplasten, um die Anwendungsgebiete im 3D Druck durch die Materialvielfalt zu erweitern. 

Generell folgen wir hier dem Plug-and-Play Gedanken für unsere Materialien. Eine einfache Verarbeitung sowie eine hohe Güte des Materials stehen immer im Fokus der Entwicklung. Wir sehen kurze Einfahrzeiten von wenigen Tagen als Pflicht an. Langwierige Versuche, um Materialien auf Maschinen ans laufen zu bekommen frustrieren die Anwender und bringen alternative Materialien im Vergleich zu PA12 und PA11 in Verruf, wodurch die Erschließung neuer Märkte und Anwendungen erschwert wird.

Auf Basis von über 20 Jahren Erfahrung ist es uns möglich einfach zu verarbeitende Materiallösungen für alle gängigen Anlagensysteme anzubieten. Wir sehen uns hierbei nicht als reine Pulvermateriallieferanten sondern als Anbieter von Materiallösungen inklusive dem erforderlichen Verarbeitungs-Know-how.

TÜ: Ja genau, der unglaubliche Fakt, dass seit fast über 25 Jahren lediglich PA12 als einziges Material für das Laser-Sinter-Verfahren geeignet sei, war für uns ausschlaggebend den Bedarf an wahren Spritzguss-Polymeren abzudecken.

3DN: Können Sie uns etwas mehr über die Bandbreite Ihrer Materialien und deren Kompatibilität mit den 3D-Druck Verfahren erzählen? 

AW: AM Polymers bietet mittlerweile eine sehr breite Materialpalette für das Laser-Sintern bzw. auch High-Speed-Sintern an, die wir stetig erweitern mit dem Ziel möglichst viele bekannte Materialien auch in der additiven Fertigung zur Verfügung zu stellen. Neben klassischem PA12 und PA11 bieten wir viele klassische Standardthermoplaste und technische Kunststoffe wie PE, PP, TPU, PBT, PA6 und PA66 an. 

3D gefertigtes Bauteil aus ROLASERIT® PBT01 Polyethylenterephthalat Pulver

: Mit acht unterschiedlichen Polymeren bieten wir das breiteste Materialportfolio für das Laser-Sintern am Markt. Ergänzt wird die Auswahl durch weitere Varianten mit oder ohne Füllstoffe, um spezielle Anforderungen zu erfüllen. Je nach Kundenwunsch bieten wir auch maßgeschneiderte Materialien an. Wir verstehen uns als AM Systemingenieure mit Expertenwissen in den Bereichen Polymer, Pulver und Prozess. 

3DN: Mit den Materialien PA66 und PBT haben Sie die einst sehr beschränkte Materialvielfalt der Konstruktionswerkstoffe für die Serienfertigung im Laser-Sintern erweitert. Welche Vorteile entstehen durch diese Adaption am Markt? 

AW: Der Materialmarkt für die additive Fertigung wird auch heute noch von den Materialien PA12 und PA11 dominiert. Dabei dominieren für technische Anwendungen die Materialien PA6 und PA66 gegenüber PA12 und PA11 sowie PEK oder PEKK. Daraus resultiert, dass in vielen klassischen Anwendungsgebieten der Schritt in die Additive Fertigung mangels geeigneten Materials verschlossen bleibt, obwohl beispielsweise in den Bereichen Automotive, Luftfahrt, Elektronik und Elektro oder Maschinenbau viele innovative Anwendungsfelder vorhanden wären. Mit dem PA6, PA66 und PBT schließen wir diese Lücke und können eine breite Auswahl an Materialien mit höheren mechanischen Eigenschaften als PA12 zu einem effizienten Preis anbieten.

​​Mit ROLASERIT® PA66-01 gelingt es uns erstmals überhaupt ein PA66-Pulvermaterial für den Laser-Sinter-Prozess anzubieten. PA66 zeichnet sich gegenüber anderen Polymeren insbesondere durch eine hohe Wärmeform- und Alterungsbeständigkeit aus. Gleichzeitig weist das Material eine hohe Härte und Steifigkeit sowie eine gute Abriebfestigkeit auf. Das Material wurde im Rahmen des durch das BMBF über den Projektträger Jülich geförderte Verbundvorhaben FLATISA im Rahmen der Ausschreibung PROMAT_3D (Förderkennzeichen 03XP0099F) in Kooperation mit Airbus und Siemens als flammgeschütztes Material entwickelt und dort erfolgreich zur Herstellung von Demonstratoren für die Luftfahrt- und Elektronik-Industrie getestet. 

AIRBUS Temperatursensorhalter aus ROLASERIT® PA66-01 Polyamid 6.6 Pulver gedruckt und chemisch geglättet

: Als weitere Neuentwicklung entstanden in Zusammenarbeit mit MITSUBISHI CHEMICAL verschiedene PBT-Typen für den Einsatz im Laser-Sintern. PBT zeichnet sich als Polymer insbesondere durch gute Gleit- und Verschleißeigenschaften, durch gute elektrische von der Feuchteaufnahme unabhängige Isolationseigenschaften sowie eine hohe Maßhaltigkeit auf. Typische Anwendungen sind Gleitlager, Ventilformteile, Laufrollen, Pumpengehäuse und Laufräder, Kupplungen und insbesondere Applikationen in der Elektroindustrie wie Spulenkörper, Klemmen- und Steckerleisten.

3DN: Können Sie unseren Lesern Anwendungsbeispiele näher Beschreiben?

: Aktuelle Anwendungen sind generell schwierig zu zeigen, da hier der Vorsprung unserer Kunden gegenüber deren Mitbewerbern im Vordergrund steht. Dennoch können wir bereits jetzt mitteilen, dass auch unser PBT bereits seine Anwendung im Bereich Automotive gefunden hat und bald in der Serienfertigung eingesetzt wird.

AW: Unser PP wird bereits seit 2017 für Automobil-Bremsflüssigkeitstanks verwendet und nahezu alle OEMs weltweit profitieren von der Flexibilität des 3D-Drucks. Es konnten sich bereits Robotergreifer für Produktionslinien aus unserem elastischen TPU als effiziente Anwendung etablieren. Das Laser-Sinter-Verfahren bewies sich als kostengünstigere sowie zeitlich schnellere Herstellung dieser Robotergreifer (am Ende des Artikels finden Sie ein Video, das die Herstellung der Greifer zeigt).

3DN: Wie wollen Sie die AM Polymers Produktpalette in Zukunft erweitern? Gibt es Pläne zur Zusammenarbeit mit bestehenden/neuen Anwendern?

AW: Weitere Materialien befinden sich in der Entwicklungsphase. Dazu zählen nicht nur verstärkte und flammgeschütze Versionen sondern auch weitere Polymervarianten. Hierbei fokussieren wir uns auf die Materialien, die von den Kunden am meisten nachgefragt werden. Man darf also neue Materialien aus unserem Haus erwarten.

: Es bestehen auch verschiedenste Kooperationen mit Anlagenherstellern, Verarbeitern und Anwendern. Neben der Etablierung neuer Materialien, geht es vielfach auch um die Entwicklung maßgeschneiderter Materiallösungen für kundenspezifische Anwendungen. Vielfach stehen Serienanwendungen mit größeren Stückzahlen im Fokus, um hier den Übertrag in den 3D-Druck mit den bislang im Spritzguss verwendeten Materialien zu schaffen.

3DN: AM Polymers wird einen Messestand auf der Formnext haben, wo finden Besucher diesen und was erwartet sie dort? 

AW: Unseren Messestand finden Sie in Halle 12.1 G127. Als Besucher kann man bei uns die breiteste Materialpalette für das Laser-Sintern finden. Wir zeigen die große Vielfalt an Möglichkeiten, die unsere Materialien bieten. Gerne beraten wir hierbei, welches Material für Ihre Kundenanwendung am besten geeignet ist und welche Vorgehensweise, Dienstleistung oder Anlagentechnik für Ihre Serienanwendung zur besten Lösung führt.

Krümmer aus ROLASERIT® PA6-01 Polyamid 6 Pulver gedruckt und chemisch geglättet

: Zudem wird Andreas eine Präsentation mit dem Titel „ Availability of the traditional injection molding plastics PA66, PBT and PP for powder bed fusion as an enabler for new applications of additive manufacturing” halten. Wir empfehlen euch seinen Vortrag, der auf der TCT Introducing Stage @ Formnext, Halle 12 Ebene 0, E41 am 16.Nov.`21 von 14:40-15:00 Uhr stattfindet, unbedingt anzuhören. 

3DN: Haben Sie noch letzte Worte für unsere Leserschaft? 

: Die Welt dreht sich nicht nur um ein paar handvoll Materialien im Polymer-Pulver basierten 3D-Druck. Man darf gespannt sein, wie rasant die Materialvielfalt in den nächsten Jahren zunehmen wird und somit der 3D-Druck seinen signifikanten Beitrag leisten wird, das Ziel der dezentralen Kunststoffteilefertigung sowie die damit verbundene Nachhaltigkeit zu erfüllen.

AW: Wir freuen uns sehr nach 2 Jahren Pause die 3D-Druck-Branche live und in Person auf der Formnext 2021 wieder zu sehen. Wir haben die interessanten Gespräche und Diskussionen vor Ort sehr vermisst. Gerne besuchen Sie uns spontan an unserem Stand oder schreiben uns über die [email protected] zur Abstimmung eines Termins an. Außerdem finden Sie weitere Informationen zu unseren Tätigkeiten auf unserer Webseite

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