menu

Haarfollikeln in 3D-gedruckten Hautmodellen zeigen neue Potentiale für regenerative Medizin und Arzneimitteltests auf

Am 22. November 2023 von Astrid Z. veröffentlicht
Cover haarfollikel

Haare sind ein heikles Thema – auf dem Kopf erwünscht, wenn sie sich mit den Jahren lichten und auf sonstigen Körperstellen aus ästhetischen Gründen viel bekämpft und für überflüssig erklärt. Die Natur ist in dieser Hinsicht intelligenter als wir ihr zuschreiben und wahrhaben möchten, denn die feinen Härchen auf der Haut erfüllen tatsächlich wichtige Aufgaben. So produzieren Haarfollikel Schweiß, tragen zur Regulation der Körpertemperatur bei und enthalten Stammzellen, die die Heilung der Haut begünstigen. Außerdem gelangen über die Haut manche Arzneimittel und Kosmetika in den Körper, weshalb die Haarfollikel auf der Haut eine entscheidende Rolle bei dermatologischen Tests spielen.

Für solche medizinischen Tests werden seit Jahrzehnten rekonstruierte Hautmodelle entwickelt, dennoch gibt es hinsichtlich ihrer Komplexität und Vollständigkeit Lücken. Bis heute weist kein Hautmodell vollständig entwickelte Haarfollikeleinheiten auf. Durch das beständige Aufstreben von 3D-Bioprinting Technologien könnte diese Lücke aber geschlossen werden und auf diese Weise biologisch und physiologisch repräsentative Hautmodelle erstellt werden, die der natürlichen Haut näherkommen und sich besser für Wirksamkeitsstudien eignen als die derzeitig verfügbaren Hautmodelle. Hier setzt eine Studie von Forschern des Rensselaer Polytechnic Insititute  (RPI) an. Den Wissenschaftlern unter Studienleiter Dr. Pankaj Karande, außerordentlicher Professor für Chemie- und Bioingenieurwesen, ist es mithilfe des 3D-Drucks gelungen, erstmals Haarfollikel in menschliches, im Labor gezüchtetes Hautgewebe einzubinden. Dieses first-of-ist-kind Beispiel ist synonym für eine bedeutende Errungenschaft im Bereich des Bioprinting, gibt es doch einen Ausblick darauf, wie 3D-Druck den Weg für zukünftige Medikamententests und Hauttransplantationen ebnen könnte.  „Die Arbeit von Dr. Karande ist ein großartiges Beispiel für die Fortschritte, die RPI-Forscher an der Schnittstelle von Ingenieur- und Biowissenschaften mit Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit erzielen“, sagte Shekhar Garde, Ph.D., Dekan der Rensselaer School of Engineering. „Die Einführung des 3D-Mehrkanal-Drucks in den biologischen Bereich eröffnet aufregende Möglichkeiten, die in der Vergangenheit nur schwer vorstellbar gewesen wären.“

3D-gedruckte Haut

Bisher sind Hautmodelle aus dem Labor lückenhaft und weisen keine Haarfollikel auf. (Bild: Chanel)

Haarfollikel in 3D-gedrucktem Gewebe

Unter dem Titel „Incorporation of hair follicles in 3D bioprinted models of human skin” veröffentlichten die Forscher im Oktober 2023 im Fachmagazin Science Advances den Ablauf und die Ergebnisse der Studie. Ihre Arbeit unterscheidet sich von vorherigen Ansätzen dadurch, dass sie erstmals auch Haarfollikel in Hautmodell miteinbezogen haben und hebt sich durch die verwendete Drucktechnologie ab. „Die Rekonstruktion von Haarfollikeln mit Zellen menschlichen Ursprungs war bisher eine Herausforderung. Einige Studien haben gezeigt, dass diese Zellen, wenn sie in einer dreidimensionalen Umgebung kultiviert werden, potenziell neue Haarfollikel oder Haarschäfte bilden können, und unsere Studie baut auf dieser Arbeit auf“, kommentierte Karande das Vorgehen bei der Studie.

Für ihren Ansatz züchteten die Forscher Haut und Follikelzellen im Labor und verarbeiteten diese dann als Biotinte in einem speziellen 3D-Drucker weiter. Zunächst war es entscheidend, Haut- und Follikelzellen im Labor zu vermehren, sodass genügend druckfähige Zellen vorhanden waren. In einem weiteren Schritt mischten die Forscher jede Zellart mit Proteinen und anderen Materialien, um die druckbare Biotinte herzustellen. Diese wurde dann auf eine hauchdünne Nadel aufgetragen, wodurch der Drucker Schicht um Schicht ein Hautmodell drucken konnte, gleichzeitig Kanäle für die Ablagerung der Haarzellen schuf und so die Haarzellen einbettete. Mit der Zeit füllten sich diese Kanäle rund um die Haarzellen mit Hautzellen und imitierten so die Follikelstruktur von menschlicher Haut. „Unsere Arbeit ist der Beweis dafür, dass Haarfollikelstrukturen mit Hilfe des 3D-Bioprintings hochpräzise und reproduzierbar hergestellt werden können. Diese Art von automatisiertem Prozess wird benötigt, um die zukünftige Bioproduktion von Haut zu ermöglichen,“ erörtert Dr. Pankaj Karande die Ergebnisse der Studie.

3D-Biodruck von Haarfollikeln in der Haut. (A) Schematische Darstellung des Drucks von Haarfollikelstrukturen innerhalb der rekonstruierten Hautmodelle. (B) Live-Bild eines kultivierten Hautmodells an Tag 2. Bild: Science Advanced

Haut- und Haartransplantation in Zukunft durch 3D-Druck?

Derzeit überlebt das 3D-gedruckte Hautgewebe mit den Haarfollikeln nur ca. zwei bis drei Wochen. Diese kurze Lebensdauer ist für die Entwicklung von Haarschäften längst nicht ausreichend. Noch ist die Technologie also nicht in der Lage, Hauttransplantate herzustellen, die Haare wachsen lassen. Dennoch zeigen die Ergebnisse der Studie bedeutende Fortschritte in diese Richtung auf. Die Forscher wollen sich künftig auch darauf konzentrieren, die Lebenszeit des Hautgewebes zu verlängern, sodass Haarfollikel weiter reifen können und für Medikamententests und Hauttransplantationen eingesetzt werden können. „Derzeit sind die heutigen Hautmodelle – die künstlichen Strukturen, die die menschliche Haut nachahmen – recht einfach. Eine Erhöhung ihrer Komplexität durch Hinzufügen von Haarfollikeln würde uns noch mehr Informationen darüber liefern, wie die Haut mit topischen Produkten interagiert“, meint Carolina Catarino, Ph.D. und Erstautorin der Studie. Die Weiterentwicklung der Technologie könnte sich sowohl auf die regenerative Medizin als auch auf kosmetische Tests positiv auswirken, da sie komplexere und biologisch relevante Hautmodelle ermöglicht.

Fest steht, dass die Proof-of-Concept-Arbeit bereits jetzt dazu beigetragen hat, die Anwendbarkeit des 3D-Drucks zu untermauern, indem 3D-Bioprinting wesentlich dazu beiträgt, die Entwicklung von Haut, Gefäßen, Schweiß- und Talgdrüsen besser zu verstehen. „Das Labor von Dr. Karande steht an der Spitze des Skin Tissue Engineering. Dieses Team hat bereits erfolgreich Haut mit funktionierenden Blutgefäßen gedruckt, und diese neueste Forschung ist ein aufregender nächster Schritt bei der Entwicklung und Erprobung besserer Behandlungen für Verbrennungen und andere Hautkrankheiten“, hebt auch Deepak Vashishth, Ph.D., Direktor des Shirley Ann Jackson, Ph.D. Center for Biotechnology and Interdisciplinary Studies in diesem Sinn hervor. Mehr zur Studie finden Sie HIER.

Was halten Sie von 3D-gedruckten Haarfollikeln in Labor-gezüchteter Haut? Lassen Sie uns dazu einen Kommentar da, oder teilen Sie es uns auf Facebook oder LinkedIN mit. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der Additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter.

*Titelbildnachweis: Pankaj Karande, links, and Carolina Catarino, rechts (RPI)

Teilen Sie Ihre Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

de_DEen_USes_ESfr_FRit_IT
Bleiben Sie auf dem Laufenden
Erhalten Sie jeden Mittwoch eine Zusammenfassung der neusten News rund um den 3D-Druck