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Der Weisse Turm von Mulegns, das höchste 3D-gedruckte Gebäude der Welt, wurde feierlich eröffnet

Am 20. Mai 2025 von Astrid Z. veröffentlicht

Gerade einmal zwölf Einwohner zählt das Dorf Mulegns im Kanton Graubünden und trotzdem ist es aktuell in aller Munde. Mit einer beeindruckenden Lichtershow wurde gestern (19.05.2025) die neue Hauptattraktion des Dorfes, der Weisse Turm von Mulegns („Tor Alva“), enthüllt und heute Vormittag offiziell eröffnet. Rund sieben Jahre nahm das Projekt, das aus einer Zusammenarbeit zwischen der Kulturinstitution Nova Fundaziun Origen und der ETH Zürich hervorging, in Anspruch. Das architektonische Kunstwerk ist nicht nur Sinnbild für eine digitale und kunstvolle Architektur, sondern soll auch den lokalen Tourismus beflügeln und dem Dorf zu neuem Aufstreben verhelfen.

Der Weisse Turm von Mulegns ist mit seinen insgesamt 30 Metern das höchste digital gefertigte Gebäude der Welt. Jedes der vier Geschosse weist acht Doppel- und Vierfachsäulen auf, die vollständig im 3D-Druckverfahren gefertigt wurden. Eine zentrale Wendeltreppe verbindet die Stockwerke und führt schließlich in die Kuppel. Dort befindet sich ein Saal, der Raum für 45 Personen bietet und für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden kann. Die einzigartige Architektur des Bauwerks begünstigt ein natürliches Lichtspiel in den Innenräumen und der Kuppel. Darüber hinaus weisen die 3D-gedruckten Säulen jeweils kunstvolle Ornamente und eine Vielfalt an Formen auf. Diese erinnern an die barocke Kunst Graubündens und spiegeln die Emigrationsgeschichte des Dorfes und die dortige Präsenz der Bündner Zuckerbäcker wider.

Der Weisse Turm wurde gestern enthüllt, auch eine Lichtershow war Teil der Zeremonie.

Schon einmal in seiner Historie war Mulegns nämlich von großer Abwanderung betroffen. Die einst ansässigen Zuckerbäcker suchten durch mangelnde Perspektiven ihr Glück in anderen Dörfern, kehrten aber im 19. Jahrhundert wohlhabend in das Dorf in den Schweizer Hochalpen zurück und bauten dort prachtvolle Villen und Hotels. Mulegns wurde im Zuge dessen zu einem touristischen Ziel und lebte auf. Nun scheint sich das Abwandern allerdings zu wiederholen. Um dem entgegenzuwirken, sollte ein neues kulturelles Zentrum Besucher und Neugierige in das Dorf locken und sein Bestehen sichern. So kam es, dass Tor Alva in Mulegns seine Heimat fand. Fürs Erste, denn der Weisse Turm sollte nach fünf Jahren in Mulegns abgebaut und anderswo neu errichtet werden. Wie das gelingt?

Der Weisse Turm von Mulegns vereint Kunst, Architektur und Technologie

Der Schlüssel dafür liegt in der einzigartigen Konzeption des Weissen Turms. Tor Alva steht für eine digitale Baukultur, bei der Forschung und Kunst ineinanderfließen und modulares, zirkuläres und skalierbares Bauen in den Fokus rücken. Von Beginn an stützten sich die Architekten Prof. Dr. Benjamin Dillenburger und Michael Hansmeyer von der ETH Zürich auf die digitale Planung des Bauwerkes. Die Daten wurden als digitale Zwillinge gespeichert und Simulationen, Evaluationen etc. erfolgten ebenfalls ohne analoge Pläne. Auch weitere Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality flossen in den Planungsprozess ein.

Anfang 2024 wurde schließlich mit dem Druck begonnen. Mithilfe von einem Roboter wurden die einzelnen Elemente der Säulen aus Beton gedruckt, wobei ein Roboterarm den Beton auftrug und ein anderer die Bewehrungen einfügte. Durch das 3D-Druckverfahren konnte der Materialeinsatz optimiert und Bewehrungen direkt inkludiert werden. Auf diese Weise konnten die 3D-gedruckten Teile ohne Klebemittel miteinander verbunden werden und nur mithilfe von lösbaren Schrauben modular aufgebaut werden. Dies begünstigt auch den problemlosen Abbau des Turms in einigen Jahren. Insgesamt wurden 124 Element so gedruckt, die Druckzeit belief sich auf ca. 900 Stunden. Ab Sommer 2024 erfolgte dann schrittweise die Montage der einzelnen Etagen, bis im April 2025 die Kuppel das Bauwerk krönte.

Bild: R. Masallam

ETH-Präsident Joël Mesot sieht das Bauwerk als Zeichen für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie: „Der Turm vereint neustes Wissen aus der Forschung mit dem Know-how von Firmen und Fachleuten. Den Turm hier am Fuße des Julierpasses zu errichten, heißt für unsere Forschenden auch, wichtige Erfahrungen aus der Praxis sammeln zu können.“ Zahlreiche Unternehmen, darunter u.a. SAEKI, BASF, und Investoren waren in das Projekt involviert, das rund 4,4 Mio.Schweizer Franken gekostet haben soll.

Auch wenn der Weisse Turm in Mulegns nicht von Dauer sein wird, zeigt das Projekt, wie Architektur und Technologie zum kulturellen Gut beitragen, welches wiederum das Dorfleben stützt. Darüber hinaus demonstriert Tor Alva das Potential der digitalen Bautechnologie und soll zu einem Umdenken im Bauwesen in Richtung Nachhaltigkeit anregen. Giovanni Netzer, Theaterintendant und Gründer der Kulturstiftung Origen, bringt abschließend seine Faszination für den Weissen Turm auf den Punkt:

Die Wechselwirkung zwischen digitaler Technologie, erfahrenem Hand-werk, kulturhistorischer Relevanz und künstlerischer Formsuche hat mich fasziniert. Der Weisse Turm ist ja nicht nur eine technische Errungenschaft: er inspiriert die Bauwelt, fördert nachhaltiges Handeln, fördert einen nachhaltigen Tourismus, schafft neuen Kulturraum und hilft einem aussterbenden Dorf zu überleben. Das ist großartig. – Giovanni Netzer

Mehr zum Projekt finden Sie HIER. Gefällt Ihnen der Weisse Turm von Mulegns? Lassen Sie uns gerne einen Kommentar da, oder teilen Sie es uns auf Facebook oder LinkedIN mit. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter.

*Titelbildnachweis: Benjamin Hofer

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