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Potentiale erkennen und ausschöpfen: Wie Daimler Truck & Buses die Additive Fertigung zur Zukunftsstrategie entwickelt

Am 28. Mai 2024 von Astrid Z. veröffentlicht
daimler truck & buses

Innerhalb der Automobil- und Transportbranche stößt der 3D-Druck als Produktionsmethode auf einen stetig wachsenden Anklang. Zahlreiche Automobilhersteller haben die Additive Fertigung bereits fest in ihrer Unternehmensstruktur verankert und auch die Bahn setzt verstärkt auf Teile aus dem Drucker. Die Produktion beschränkt sich längst nicht mehr auf die Herstellung von Prototypen, sondern reicht von der Fertigung von Ersatzteilen, Werkzeugen und Produktionssystemen bis hin zu Serienauflagen von spezifischen Teilen. Für manche Unternehmen hat sich AM durch die flexible Produktion je nach Auftragslage als Gamechanger herausgestellt und der 3D-Druck ermöglicht es ihnen, mutig neue Wege zu gehen. Andere Unternehmen hingegen begegnen dem Thema 3D-Druck mit Scheu oder Vorbehalt und bleiben hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Ein Unternehmen, dass das Potential der additiven Fertigung jedoch für die eigenen Zwecke erkannt hat und auch aktiv ausschöpft, ist Daimler Truck & Buses. AM ist mittlerweile fester Bestandteil der Zukunftsstrategie des Unternehmens verankert und ein Grundpfeiler des Vorhabens, darauf ein digitales Geschäftsmodell aufzubauen. Im Interview nehmen uns Daniela Rehm und Ralf Anderhofstadt von Daimler Truck & Buses mit auf die Reise hin zur Implementierung des 3D-Drucks im Unternehmen, den bereits erreichten Etappen und den nächsten großen Zielen. Gemeinsam beleuchten sie die ersten Schritte vom 3D-Druck von Prototypen und Ersatzteilen, über die Serienfertigung bis hin zur On-Demand Produktion mithilfe eines Digital Warehouse. Für beide Vertreter des Unternehmens ist es essentiell, nicht nur auf technologische Trends der Transportbranche zu reagieren, sondern die Technologien und die Industrie auch mitzugestalten und voranzutreiben.

3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und Ihre Rolle bei Daimler Truck & Buses erklären?

Daniela: Mein Name ist Daniela Rehm. In unserem 3D-Druck-Kompetenzzentrum leite ich die Produktmanagement- und Marketing-Aktivitäten für die Additive Fertigung innerhalb von Daimler Buses. Für unsere Consultingeinheit koordiniere ich dabei die zentralen Aufgaben des Key Account Managements als Teil der zentralen Vertriebstätigkeiten.

Ralf: Mein Name ist Ralf Anderhofstadt. Ich bin der Leiter von unserem 3D-Druck-Kompetenzzentrum sowie von unserer externen Consultingeinheit AMS –Additive Manufacturing Solutions Daimler Truck. In diesen Funktionen treiben mein Team und ich innerhalb und außerhalb von Daimler Truck & Buses alle Themen rund um die Additive Fertigung voran, um diese spannende Zukunftstechnologie zu einem neuen, zukünftigen und digitalen Geschäftsmodell zu entwickeln. Parallel dazu bin ich zweifacher Autor des Buchs „Disruptiver 3D-Druck“ und in zahlreichen Fachgremien sowie im Beirat des Verbandes 3D-Druck e. V. aktiv.

Ralf Anderhofstadt, Leiter des 3D-Druck-Kompetenzzentrums und der Consultingeinheit AMS (links); und Daniela Rehm, Product & Marketing Management 3D-Druck (rechts).

3DN: Wie und warum setzt Daimler Truck & Buses auf 3D-Druck?

Ralf: Wir setzen den 3D-Druck bereits seit vielen Jahren bzw. Jahrzehnten erfolgreich in unserem Unternehmen ein. Zunächst lag der Fokus auf dem Einsatz im Prototypenbau und Designbereich. Erst im Rahmen des crossfunktionalen Projekts „CSP 3D-Druck“, welches im Jahr 2015 startete, wurde der Sprung in die Serienfertigung als Auftrag beleuchtet. Dies war der Startschuss für die ersten 3D-Druckteile im Ersatzteil- und Serienbereich. Und hieraus ergaben sich dann viele neue Potentiale für unser Unternehmen. Heute, nach zahlreichen notwendigen Prozessanpassungen, dem Aufbau von technischen und qualitativen Freigabeprozessen und unzähligen Produkttests sowie Prüfungen der letzten Jahre, sind wir nun unter anderem im digitalen 3D-Druckbusiness unterwegs.

Daniela: Daimler Truck & Buses bleibt als großes Unternehmen immer am Puls der Zeit und behält dabei das aktuelle Marktgeschehen und -entwicklungen im Blick. So kristallisierte sich, wie von Ralf erwähnt, 2015 die Additive Fertigung als zentraler Aspekt für die künftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens heraus. Im Jahr 2016 wurde das Thema 3D-Druck als Projekt aufgesetzt, um die Technologie im ersten Schritt grundsätzlich auf die Potentiale und Mehrwerte für unsere Firma zu prüfen. Schnell wurden erste positive Effekte bei monetären Aspekten und Prozesseffizienz erzielt, sodass sich die Additive Fertigung als Pfeiler unserer Zukunftsstrategie entwickelt hat.

In Bezug auf die Technologien kommen heute neben den pulverbettbasierten Verfahren alle Drucktechnologien zur Anwendung, mit denen die Qualitätsanforderungen in sämtlichen Ausprägungen für Bauteile in Serienqualität gewährleistet werden können. Grundsätzlich haben wir für uns den größten Hebel zunächst bei Kunststoffbauteilen entdeckt, inzwischen sind wir aber auch intensiv im Metall– sowie Silikonbereich unterwegs. Insbesondere im Metallbereich rechnen wir in naher Zukunft mit großen Potentialen, die nicht zuletzt durch unser eigenes entwickeltes Metallmaterial effizient umgesetzt werden können.

Bei Daimler Truck & Buses kommt eine Vielzahl an verschiedenen 3D-Drucktechnologien zum Einsatz.

3DN: Wie haben Sie es geschafft, den 3D-Druck nachhaltig zu integrieren? Was waren wichtige Meilensteine und was hat sich seit dem ersten Einsatz des 3D-Drucks im Unternehmen verändert?

Daniela: Generell sind die Schranken im Kopf der Menschen – verbunden mit fehlendem Wissen, Angst vor Neuem oder schlechten Erfahrungen aus der Vergangenheit – die größten Show-Stopper, wenn es um die Implementierung der Additiven Fertigung in einem Unternehmen geht. Wichtig bei der Integration der industriellen Additiven Fertigung für uns war sicherlich die ganzheitliche Betrachtung der Technologie ab Tag 1. Sämtliche Fachbereiche wurden im Rahmen des Start-Projektes miteinbezogen. Auf diese Weise wurde nachhaltig ein gesamtheitliches Verständnis geschaffen. Mit der Realisierung erster positiver Effekte durch den Einsatz der Technologie wurde nicht nur die erste Basis für das Vertrauen in den 3D-Druck gelegt, auch der Aufbau von Partnerschaften erfolgte basierend hierauf nach und nach.

Ralf: Tatsächlich wurden die ersten freigegebenen Ersatzteile von uns im Jahr 2017 umgesetzt. Grundvoraussetzung hierfür waren und sind heute immer noch die Reproduzierbarkeit und der hohe Qualitätsanspruch. Dies hat sich bis heute bei der Umsetzung der Serienteile im 3D-Druck nicht verändert. Aktuell haben wir mehr als 600 unterschiedliche Serien- und Ersatzteile bei uns freigegeben, welche bereits heute in einer Gesamtzahl von über 100.000 Stück in unseren Fahrzeugen verbaut sind. Seit 2017 haben sich die Potentiale deutlich erweitert. Auf der einen Seite aufgrund der neu entwickelten Werkstoffe, aber auch den freigegebenen 3D-Druckverfahren bis hin zu unserem umgesetzten 3D-Druck-Lizenzmanagement und unserem sehr erfolgreichen Digital Warehouse, in welchem mehrere tausend Digitale Zwillinge unserer Produkte zur umgehenden „On-Demand“-Produktion liegen.

Digitale Zwillinge erlauben die On-Demand Produktion direkt dort, wo das Endteil benötigt wird.

3DN: Welche Rahmenbedingungen sind für die On-Demand Produktion erforderlich?

Ralf: Nachdem wir uns entschieden haben, ein 3D-Druck-Lizenzmanangement aufzubauen, war es im Rahmen der dezentralen Produktion immens wichtig, die Teile auf zertifizierten 3D-Druckern inkl. der Peripherie sowie mit zertifizierten Prozessen umzusetzen. Hierzu bildet unser mobiler 3D-Druckcontainer einen essentiellen Baustein, um die 3D-Druckteile direkt am Point of Sale oder Point of Production zu drucken. Parallel zu den mobilen Druckzentren sind wir jedoch auch eng mit unserer Außenorganisation sowie mit Logistik- und Druckdienstleistern im Austausch bzw. zum Teil schon in enger Zusammenarbeit, um das dezentrale 3D-Druckbusiness mit all seinen ökonomischen und ökologischen Vorteilen weiter auszurollen.

3DN: Können Sie einige Ihrer Projekte nennen, die Sie durch die Additive Fertigung erfolgreich umsetzen konnten?

Daniela: Da gibt es einige spannende Projekte, die wir in der Vergangenheit umsetzen konnten. Wenn wir auf die Implementierung von Bauteilen in der Serienfertigung schauen, war sicherlich die additive Herstellung des Instrumententrägers im Cockpit von acht Reisebussen ein Highlight. Innerhalb weniger Wochen wurden die Bauteile unter Einhaltung aller Qualitätsanforderungen und Freigabeprozesse umgesetzt und die Auslieferung der Fahrzeuge gewährleistet.

Ein großer Erfolg war auch der Launch der von Ralf erwähnten 3D-Druck-Lizenzshops im Juni 2022. Seither haben unsere Kunden nicht nur die Möglichkeit physische Ersatzteile zu kaufen, sondern auch 3D-Druck-Datensätze der benötigten Bauteile für die Herstellung direkt am Point of Use zu beziehen.

Ralf: Ja, die von Daniela genannten Projekt waren tatsächlich einige der Highlights. Ich könnte an dieser Stelle sicher noch einige aufzählen, aber wenn ich noch ein Highlight nennen darf, dann würde ich den Launch unserer externen Consultingeinheit AMS – Additive Manufacturing Solutions Daimler Truck nennen. Das war wirklich ein toller Moment, denn wir haben die ersten Anfragen direkt von externen Unternehmen erhalten, um gemeinsam den industriellen 3D-Druck voranzutreiben. Und heute sind wir hierzu mit zahlreichen Unternehmen gemeinsam unterwegs, um die jeweiligen Potentiale aus der Branche zu heben.

Prototypen, Ersatzteile und Serienteile kommen bei Daimler Truck & Buses aus dem 3D-Drucker.

3DN: Haben Sie noch abschließende Worte zum 3D-Druck bei Daimler Truck & Buses und in der Transportbranche?

Daniela: Dass die Additive Fertigung nicht nur bei der Produktentwicklung und dem Prototypenbau für effizientere Entwicklungen sorgt, sondern vor allem auch in der Serienfertigung seinen Platz etabliert, hat sich in einigen Köpfen mittlerweile manifestiert. Spannende Veränderungen in der Transportbranche bringen sicherlich die digitalen Potentiale der Additiven Fertigung mit sich. Möglichkeiten, wie die dezentrale Produktion, also die Herstellung von Bauteilen direkt am Point of Sale wirken sich disruptiv auf bestehende Logistikkonzepte und die Chancen bei der Bereitstellung von Bauteilen aus. Das Marktumfeld des 3D-Drucks ist immer in Bewegung, daher ist die Arbeit in diesem Themenkontext jeden Tag spannend und es macht Spaß, die Entwicklungen zu beobachten oder sogar ein Teil davon zu sein.

Ralf: Neben einigen bestehenden technischen Herausforderungen wie z. B. der Reproduzierbarkeit der Qualität auf unterschiedlichen 3D-Druckern oder auch diversen IP-Themen, bleibt die größte Herausforderung das Mindset und die Offenheit der zu handelnden Personen in Bezug auf 3D-Druck. Leider ist zum Thema 3D-Druck häufig eine Erfahrung bzw. ein Bild in den Köpfen manifestiert, welches oft nicht mehr der heutigen Realität entspricht. Und dies führt dazu, dass oft noch falsche Denkmuster vorherrschen und diese großartige Zukunftstechnologie engstirnig nur aus einem sehr kleinen Blickwinkel betrachtet wird. Dies aufzubrechen und den Blick zu weiten ist eine große Challenge, die riesige Potentiale für die Unternehmen eröffnet.

Ich bin sehr stolz, das Thema Additive Fertigung in unserem Unternehmen und der Branche mit einem großartigen Team vorantreiben zu dürfen und ich hoffe, dass auch andere Unternehmen den Mut haben, diese Technologie ganzheitlich zu betrachten. Erst dann ergeben sich Potentiale, die am Anfang nicht vorstellbar waren.

Ralf Anderhofstadt will nicht nur bei Daimler Truck & Buses den 3D-Druck vorantreiben, sondern durch seine Aktivitäten ein Umdenken in der Branche pro 3D-Druck erzielen.

Mehr zum Unternehmen finden Sie HIER. Was halten Sie von der Implementierung des 3D-Drucks bei Daimler Truck & Buses? Lassen Sie uns zu diesem Thema gerne einen Kommentar da oder teilen Sie es uns auf Facebook, oder LinkedIN mit. Möchten Sie außerdem eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuigkeiten im 3D-Druck und der additiven Fertigung direkt und bequem in Ihr Postfach erhalten? Dann registrieren Sie sich jetzt für unseren wöchentlichen Newsletter!

*Bildnachweise: Daimler Truck & Buses

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