Forscher der TU Delft drucken ein Gehirnmodell, das die Entwicklung von Neuronen fördert

Oft wird behauptet, dass wir das Universum besser kennen würden als unser eigenes Gehirn. Nun, das Gehirn war schon immer ein Organ, das aufgrund seiner Komplexität und seiner unzähligen Fähigkeiten und Funktionen faszinierte. Die Forschung wird beständig vorangetrieben und Wissenschaftler testen neue Technologien und Instrumente, um die Funktionsweise des Gehirns besser zu erforschen. Sei es, um mehr über die graue Substanz, die Verbindung zwischen den beiden Gehirnhälften oder die Entstehung neurologischer Störungen zu erfahren. Vor allem rund um Neuronen herrscht noch viel Ungewissheit. Zwar ist bekannt, dass Neuronen Netzwerke für den Signalaustausch bilden, die es dem Gehirn ermöglichen, mit unglaublicher Geschwindigkeit zu lernen und sich anzupassen, trotzdem bleiben sie in vielerlei Hinsicht ein Rätsel. Dank des 3D-Drucks ist es gelungen, bei der Entschlüsselung dieser Komplexität einen Schritt weiter zu kommen.
Um die Entwicklung von Neuronen zu untersuchen und besser zu verstehen, haben nämlich Forscher der Technischen Universität Delft (TU Delft) eine 3D-gedruckte „gehirnähnliche“ Umgebung entwickelt, in der Neuronen wie in einem echten Gehirn wachsen.

Vergleich von Neuronen in einer 2D- (links) und 3D-Umgebung (rechts).
3D-gedruckte Nanosäulen zur Nachahmung von Gehirngewebe
Die Herausforderung, von der die Forschung ausging, bestand darin, eine Alternative zur Verwendung herkömmlicher Petrischalen zu finden. Diese sind flach und starr und entsprechen nicht der weichen, faserigen Umgebung der extrazellulären Matrix des Gehirns. Da Neuronen sehr stark von dem Raum abhängen, in dem sie sich befinden, war es notwendig, eine dem Gehirn möglichst ähnliche Umgebung zu schaffen, in der sie sich entwickeln können.
Die Lösung kam dank der Zwei-Photonen-Polymerisation zustande, einer laserbasierten 3D-Drucktechnik, die Präzision im Nanobereich ermöglicht. Diese Technologie ermöglichte die Herstellung winziger Nanosäulen, die das weiche Nervengewebe und die Fasern der extrazellulären Matrix des Gehirns nachahmen können.
Die Säulen, die tausendmal kleiner als ein menschliches Haar sind, wurden in Reihen auf einer Oberfläche angeordnet. Indem sie ihre Breite, Höhe und andere Parameter veränderten, konnten die Forscher die mechanischen Eigenschaften nachbilden, die die Neuronen in der realen Gehirnumgebung wahrnehmen. „Auf diese Weise ‚denken‘ die Neuronen, dass sie sich in einer weichen, gehirnähnlichen Umgebung befinden, obwohl das Material der Nanosäulen selbst starr ist. Indem sie sich unter dem Krabbeln der Neuronen biegen, simulieren die Nanosäulen nicht nur die Weichheit von Hirngewebe, sondern bieten auch eine 3D-Struktur im Nanomaßstab, an der sich die Neuronen festhalten können, genau wie die Nanofasern der extrazellulären Matrix im echten Hirngewebe. Dies beeinflusst die Art und Weise, wie Neuronen wachsen und sich miteinander verbinden“, erklärt Angleo Accardo, außerordentlicher Professor und Leiter der Forschungsgruppe.
Ein neuer Ansatz für die Erforschung von Neuronen und neurodegenerativen Krankheiten
Diese unglaubliche Entdeckung hat nicht nur die Untersuchung von Nervenzellen verbessert, sondern auch unerwartete Ergebnisse gebracht. Um das Modell zu testen, züchteten die Forscher drei verschiedene Arten von Nervenzellen, die aus Mäusegehirngewebe oder menschlichen Stammzellen stammen, auf Nanosäulen. In herkömmlichen flachen Petrischalen und 2D-Biomaterialien wachsen die Neuronen in zufälligen Richtungen. In dem 3D-gedruckten Nanosäulenmodell hingegen passten sich die Neuronen nicht nur besser an die Umgebung an, sondern begannen sich auch anders zu verhalten und wuchsen organisierter und präziser. Im Gegensatz zu den Tests in flachen Umgebungen konnten sich die Neuronen in der 3D-Umgebung in mehr Richtungen entwickeln, was ihr Wachstum sogar noch förderte. Den Forschern zufolge entspricht dieses Verhalten eher dem, was tatsächlich im Gehirn passiert.

Unterschied zwischen dem Wachstum von Neuronen auf 3D-Nanoplatten (Abbildungen A bis D) und auf einer Glasplatte (Abbildung E).
Die additive Technologie der Zwei-Photonen-Polymerisation hat sich in diesem Fall durchgesetzt, da sie die Herstellung von Nanosäulen mit rational konzipierten geometrischen Merkmalen und extrem hoher Reproduzierbarkeit ermöglicht. Dieselben Ergebnisse wären beispielsweise mit Gelmatrizen nicht zu erzielen, die keine Reproduzierbarkeit und Zuverlässigkeit in Bezug auf die Struktur garantieren.
Die Forscher hoffen, durch eine bessere Reproduktion der Art und Weise, wie Neuronen wachsen und sich verbinden, nicht nur unser Wissen über die Funktionsweise des Gehirns zu erweitern, sondern auch über die Unterschiede zwischen gesunden Gehirnnetzwerken und solchen, die mit neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Autismus-Spektrum-Störungen einhergehen. HIER können Sie mehr über diese Studie lesen.
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*Bildnachweise: University of Technology di Delft (TU Delft)