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3D-gedruckte Orthesen bei Pohlig ermöglichen bessere Anpassung an den Träger

Am 16. Januar 2019 von Jacqueline O. veröffentlicht
3D-gedruckte Orthesen

Der 3D-Druck findet mittlerweile viele Anwendungen in der Medizin und demonstriert die einzelnen Technologien für ganz unterschiedliche praktische Anwendungen, darunter der Biodruck, die Herstellung von individuellen Modellen für Patient und Chirurg, tatsächlichen Implantaten und so weiter. Auch die Herstellung von Prothesen und Orthesen ist durch die Möglichkeit der anatomischen Passgenauigkeit eng mit der neuen Technologie verbunden und wir konnten bereits von einigen Erfolgen berichten. So lernte zum Beispiel der damals siebenjährige Nick dank der neuen Technologie laufen. In Deutschland nutzt Pohlig bereits seit einiger Zeit die additive Fertigung, um ein besseres Ergebnis für ihre Patienten zu erzielen. Wir wollten mehr über die Gründe und genutzten Technologien dahinter erfahren und traten mit Michael Schäfer, Geschäftsführer von Pohlig in Kontakt.

3DN: Können Sie POHLIG und die Verbindung zum 3D-Druck einmal vorstellen?

3D-gedruckte Orthesen

Michael Schäfer, Dipl. Orthopädiemechaniker-Meister, Geschäftsführer Pohlig GmbH

In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Pohlig GmbH zu einem innovativen Impulsgeber und Marktführer der individuellen Orthopädie-Technik in Deutschland entwickelt. In der konkreten Auseinandersetzung mit innovativen Prozessen und Fertigungsmethoden beschäftigen wir uns bereits seit 15 Jahren intensiv mit diesem Thema. Erste Schritte auf diesem Weg konnten mit der Implementierung eines CAD-CAM-Systems vollzogen werden. Die digitale Formerfassung wurde durch die Einführung videobasierter Streifenlichtscanner für die Orthopädie-Technik erstmals interessant. Während etablierte Laserscansysteme für die Arbeit am Menschen eher ungeeignet erschienen, weil sie zu anfällig waren, konnten mit dieser Methode erstmals zuverlässig-maßgerechte Körperscans durchgeführt werden.

So konnten wir zunächst im Rahmen des Reverse Engineerings eine digitale Form-Bibliothek unserer Gipsmodelle aufbauen. Die Formerfassung des menschlichen Körpers sowie die darauf folgende digitale Modellierung und Umsetzung in die Produktion konnten mit individualisierten CAD-CAM Systemen dadurch vollzogen werden.

In diversen Forschungsprojekten setzen wir uns mit der Umsetzung der digitalen Gestaltung sowie entsprechender Kräfte-Simulationen für den Designprozess  unserer Hilfsmittelversorgungen auseinander.

3DN: Wie kamen Sie auf die Idee, die additive Fertigung hier einzusetzen?

Schon seit je her werden in der individuellen Hilfsmittelversorgung sehr differenzierte Fertigungs- und Gestaltungsmethoden eingesetzt. Es gilt den menschlichen Körper bestmöglich zu unterstützen und teilweise Gliedmaßen und Funktionen zu ersetzen. Es war für uns ein logischer Schritt nach der Umsetzung der digitalen Formerfassung und den CAD-Gestaltungsmethoden auch Teilbereiche der Produktion zu digitalisieren. Entscheidend ist, dies nur dort zu tun, wo wir tatsächlich einen Verbesserungsprozess erreichen können.

3D-gedruckte Orthese

Daumenorthese @ Pohlig

3DN: Welche Vorteile bringt die Nutzung der 3D-Technologie im Vergleich zu traditionellen Herstellungsverfahren in der Orthetik mit sich?

Zum einen ergeben sich prozessuale Vorteile. Jeder Arbeitsschritt kann am PC nachvollzogen werden. Das bedeutet, dass wir bei komplexen Versorgungsanforderungen oder auch bei Mängeln jeglicher Art zu jedem Zeitpunkt jeden Arbeitsschritt nachvollziehen und ergründen können. Außerdem verschafft uns diese prozessuale Transparenz auch die Möglichkeit, die individuelle Passform eines Hilfsmittels zu jeder Zeit exakt zu reproduzieren.

Zum anderen eröffnen uns die freien Gestaltungsmethoden der additiven Fertigung neue Wege sowohl in der ergonomischen Gestaltung wie auch in der Optimierung der Bauteilgeometrie. In Kombination mit Belastungssimulationen konnten wir zu neuen Erkenntnissen in der Gestaltung unserer Orthesen gelangen. So wurden neben einer Minimierung der Bauteilgröße auch komplexe Geometrien realisiert, die wir in handwerklichen Verfahren nicht umsetzen konnten. Auch Optimierungen im Tragverhalten und Handling unserer Hilfsmittel  standen im Fokus. Hierzu zählt im Bereich der Orthetik z.B. die Integration atmungsaktiver Zonen, neuartiger Verschlusstechniken und Gelenksverbindungen, sowie die Möglichkeit über die Querschnittsdimensionierung teilflexible Areale zu erzeugen.

3D-gedruckte Orthese

Fliegenfischerorthese @ Pohlig

3DN: Welche 3D-Technologie nutzen Sie für Ihre Orthesen?

Hier haben wir unterschiedliche Szenarien. Erste Prototypen, die der visuellen Veranschaulichung unserer Neuentwicklungen dienen, werden je nach Art und Konstruktion des Produktes im Rahmen des Prototypings mit FDM- und FFF-Druckern hergestellt. Finale Produkt-Design-Studien oder definitive Hilfsmittelversorgungen müssen sowohl in der Materialmechanik wie auch in der Materialgüte hochwertigere Charakteristiken aufweisen. Hier stehen wir in einer engen Kooperation mit dem Weltmarktführer EOS und arbeiten zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich mit dem selektiven Laserdruckverfahren und unterschiedlichen Materialien.

3DN: Arbeiten Sie momentan an weiteren Projekten? 

 Natürlich! Wir kennen mittlerweile das „Für und Wider“ des 3-D Drucks sehr genau, sodass wir auch mit sehr realistischen Vorstellungen und Erwartungen in die Entwicklung neuer Produkte hinein gehen. Inkludiert sind hiervon nahezu alle Bereiche unserer individuellen Hilfsmittelversorgung in der  Orthetik, Prothetik, Orthoprothetik wie auch in den Bereichen der Reha-und Orthopädie -Schuhtechnik.

Wichtig ist für uns bei jeder Entwicklung, dass die neuartigen 3-D gedruckten Hilfsmittel im Vergleich zu ihren traditionellen Vorgängern auch einen tatsächlichen Mehrwert für Ihre Nutzer erreichen.

3DN: Wie sehen Sie die Zukunft und die Entwicklung des 3D-Drucks in der Orthetik? 

Bei uns hat sich der 3D-Druck bereits heute in der Orthetik etabliert. Unser erstes Arbeitspaket im 3D-Druck konnten wir in der orthetischen Versorgung der oberen Extremitäten erfolgreich platzieren. Durch 3D gedruckte Orthesen können wir hier nicht nur eine Verbesserung des technischen Produkt-Layouts erzielen, sondern auch mit neuartigen Designvarianten zu einer erhöhten Akzeptanz der Hilfsmittel im Alltag gelangen. Sowohl in der Orthetik der oberen Extremität wie auch in der Rumpforthetik konnten wir die Qualität der Formerfassung durch die Entwicklung neuartiger Simbrace-Körper-Korrektur-Simulationsgeräte zum Start des Versorgungsprozesses deutlich erhöhen. Entscheidend für eine weitere Etablierung dieser Technologie in unserem Fach wird die Entwicklung und Einbindung neuer Werkstoffe für den qualitativen 3D-Druck sein. Hier sehen wir speziell für den Versorgungsbereich der Orthetik der unteren Extremitäten Herausforderungen auf uns zukommen. Bauteilbelastungen, eingeleitet durch das Körpergewicht der Anwender beim Tragen und Belasten des Hilfsmittels, wie auch die Integration funktioneller und dynamischer Gelenkskonstruktionen beschäftigen uns schon heute. Wichtig für die weitere Etablierung dieser Technologie in unserem Fach wird auch der Zugang sein. Viele unserer Kollegen haben auch kleine Betriebe und können sich derart kostspielige Gerätschaften nicht leisten. Daher werden bereits heute Plattformen geschaffen, die eine Nutzung dieser interessanten Technologie für alle ermöglichen soll.

Für uns geht kaum ein Tag vorüber, an dem wir nicht wieder etwas Neues in der Nutzung  dieser Technologie erkennen können. Das beflügelt und motiviert uns.

3D-gedruckte Orthese

Spiralorthese mit Unterschenkelorthese @ Pohlig

3DN: Haben Sie noch ein paar abschließende Worte?    

Bei aller Begeisterung und dem nach wie vor vorherrschenden Hype um das Thema 3D-Druck muss sich der Einsatz dieser Technologien stringent an dem Anforderungsprofil unserer Versorgungen orientieren. Sie lohnen sich dort, wo wir einen tatsächlichen Mehrwert für die Anwender im Vergleich zu traditionellen Versorgungsmethoden erzielen können. Für uns stellt diese Technologie eine absolute Bereicherung unseres Versorgungsalltags dar, auf die wir schon heute nicht mehr verzichten können.

Was halten Sie von den personalisierten 3D-gedruckten Orhtesen? Teilen Sie uns Ihre Meinung mit und hinterlassen Sie uns ein Kommentar unten oder auf FacebookTwitter oder Google+. Und denken Sie daran sich für unseren wöchentlichen Newsletter kostenlos anzumelden, um keine Neuigkeiten im 3D-Druck mehr zu verpassen!

Kommentare

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  1. […] Shapeways hat sein Angebot um ein neues Material erweitert, das die Herstellung von 3D-gedruckten Orthesen und Prothesen ermöglicht. Das neue Material ist Polyamid 11 (PA 11), eines der am häufigsten […]

  2. Christoph sagt:

    In der letzten Zeit habe ich mir einige Artikel über Prothesen durchgelesen. Anscheinend kommt es immer mehr in den Gebrauch, 3D-Drucker für die Produktion von Prothesen zu verwenden. Damit kann viel individueller auf den Träger und die anatomischen Unterschiede eingegangen werden.

  3. Toll, dass 3D Druck auch in der Orthopädietechnik genutzt werden kann. Die Orthesen auf den Bildern sehen sogar cool aus. Ich frage mich, wann das hierzulande großflächig eingesetzt wird.

  4. Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Orthesen. Gut zu wissen, dass man diese heutzutage auch 3d-drucken kann. Ich möchte mir gerne meine Knieorthese anpassen lassen.

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