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Nachhaltige Mobilität auf Knopfdruck: Der 3D-gedruckte Fahrradanhänger der Frankenlandschule Walldürn

Am 13. August 2024 von Kaja F. veröffentlicht

Nachhaltigkeit spielt eine immer wichtigere Rolle für unsere Zukunft und innovative Produktionsmethoden sind entscheidend, um Ressourcen zu schonen. Diesem Trend folgte auch eine Klasse der Frankenlandschule auf spannende Weise. Unter Leitung des Fachlehrers Jörn Hahn, nutzen die Schüler die Möglichkeit ein nachhaltiges 3D-Druck Projekt zu realisieren. Nach einer Phase intensiven Lernens und Experimentierens, entstand die Idee umweltfreundliche Fahrradanhänger 3D zu drucken. Diese werden aus recycelbarem Kunststoff gefertigt und können im Falle eines Defekts problemlos repariert oder ersetzt werden. Das Projekt vereint Kreativität mit nachhaltigem Denken und die Anhänger sind ein beeindruckendes Beispiel dafür, welche ressourcenschonenden Potentiale der 3D-Druck bietet.

3DN: Könnten Sie sich kurz vorstellen und erläutern, wie Sie zum 3D-Druck und zur Idee Fahrradanhängern 3D zu drucken, gekommen sind?

Mein Name ist Jörn Hahn und ich unterrichte an der Frankenlandschule Walldürn, einer kaufmännischen beruflichen Schule im nördlichen Baden-Württemberg die Fächer Biologie, Geschichte, Ethik und Multimedia. Schon seit frühster Jugend an faszinierten mich die Gebiete der Elektro- und IT-Technik und die daraus resultierenden Anwendungsmöglichkeiten. Der Vortrag eines Mitschülers in der Technik-AG meiner damaligen Schule machte mich erstmals auf den 3D-Druck aufmerksam. Die Vorstellung, ein dreidimensionales Objekt virtuell zu designen und dann einfach „auszudrucken“ empfand ich zu diesem Zeitpunkt als unfassbar futuristisch. Obwohl die Grundprinzipien des 3D-Drucks bereits in den 1980er Jahren gelegt wurden, kostete ein Stratasys FDM-Drucker im Jahr 2000 dennoch etwa 50.000 US-Dollar, was zusammen mit seiner komplexen Bedienung den 3D-Druck für den privaten Bereich utopisch machte. Trotzdem verfolgte ich die Entwicklungen auf diesem Gebiet mit großem Interesse, da mich die zahlreichen Anwendungsbereiche und potentielle zukünftige Einsatzmöglichkeiten faszinierten.

Der 3D-gedruckte Fahrradanhänger. (Bild: Frankenlandschule)

Vor drei Jahren war es dann soweit, dass ich mir einen lang gehegten Traum erfüllen und den ersten 3D-Drucker mein Eigen nennen konnte. Nach einer intensiven Einarbeitungsphase entschloss ich mich dazu, auch meine  Schüler an diesem faszinierenden Thema teilhaben zu lassen. Den unterrichtlichen Rahmen dazu bot das Fach Multimedia in der zweijährigen Berufsfachschule, dessen Kernelement das Arbeiten mit elektronischen Medien inklusive der dazugehörigen Peripheriegeräte ist. Gleichzeitig bot sich die ausgewiesene projekt- und handlungsorientierte Unterrichtsgestaltung dieses Fachs dazu an, die Schüler mit neuen, zukunftsweisenden Technologien bekannt zu machen. Parallel dazu ließ sich dieser neue Unterrichtsgegenstand fachlich und didaktisch sinnvoll mit bereits vorhandenen Unterrichtseinheiten, wie etwa dem Erstellen von virtuellen 3D-Objekten, verknüpfen.  

Gegen Ende der Unterrichtseinheit kam bei den Schülern der Wunsch nach einem finalen Projekt auf. Nachdem sie sich die Grundlagen erarbeitet und mit großer Begeisterung bereits kleinere Projekte gemeistert hatten, wollten sie ihre Kompetenzen in einem gemeinsamen Projekt bündeln. Angesichts der bestehenden globalen Krisen ergab ein erstes gemeinsames Brainstorming, dass wir unser Projekt im Bereich Nachhaltigkeit verorten wollten. Die zündende Idee ergab sich, als eine Schülerin die mangelnden Transportkapazitäten ihres Fahrrads bemängelte, was oftmals zur Konsequenz hatte, dass sie sich statt des Rads für das Auto entschied. Dieser Problematik wollten wir mit einem selbst gebauten Fahrradanhänger begegnen, der möglichst ressourcenschonend produziert werden sollte. Darüber hinaus sollte er im Falle eines Defekts oder bei Materialermüdung komplett zerlegbar sein, sodass alle betroffenen Teile ersetzt, neu gedruckt oder repariert werden können, woraus sich eine theoretisch unendliche Lebensdauer ergibt. Das vermeidet Müll, schont Ressourcen und den Geldbeutel gleich mit. Zudem erhielten alle  Schüler Zugang zu den Druckdateien und die Möglichkeit, den Drucker zu nutzen, sodass es ihnen möglich war, den Anhänger zuhause mitzubauen. 

(Bild: Frankenlandschule)

3DN: Wo sehen Sie die Vorteile des 3D-Drucks und welche Technologien und Materialien verwenden Sie?

Der in meinen Augen größte Vorteil des 3D-Drucks ist seine unglaubliche Flexibilität. Nahezu alle dreidimensionalen Formen können gedruckt werden. Darüber hinaus ermöglichen verschiedene Filamente und Druckeinstellungen besondere Werkstückeigenschaften. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Das weckt bei den  Schülern den Erfindergeist und binnen kurzer Zeit ein reales Objekt in Händen halten zu können, welches zuvor nur auf dem Computerbildschirm sichtbar war, ist gerade beim ersten Mal eine ganz besondere Erfahrung. Damit ist der 3D-Drucker ein Gerät, welches die natürliche Grenze zwischen dem virtuellen Raum und der Realität ein Stück weit aufzuheben vermag. Und mit einer Druckgeschwindigkeit von bis zu 500mm/s sind auch größere Teile in modernen FDM-Druckern in vergleichsweiser kurzer Zeit herstellbar. Für den Workflow dieses Projektes ist dies von enormem Wert, insbesondere wenn gedruckte Teile beschädigt werden oder noch optimiert werden müssen. Ohne lange Wartezeit erhält man ein Ersatzexemplar oder eine optimierte Version des Teils und kann zügig am Projekt weiterarbeiten. 

Das Grundgerüst des Anhängers bilden Aluminiumvierkantrohre, dazu wurden zwei Luftreifen, zwei Gasdruckfedern aus dem Möbelbau als Stoßdämpfer, ein Adapter für die Verbindung zum Fahrrad, Maschinenschrauben und Muttern, eine Gewindestange, sowie eine Heckleuchte beschafft. Den Aufbau bildet ein handelsüblicher Eurobehälter aus Kunststoff, wie man ihn in jedem Baumarkt finden kann. Alle anderen Teile wurden von den  Schülern mithilfe von CAD virtuell konstruiert, gesliced und anschließend ausgedruckt. Als Filament wurde recyceltes PLA verwendet. Die Grundlage aller elektronischen Aufbauten stellt ein programmierbares Arduino-Board dar. Um besonders belasteten Verbindungen zusätzliche Stabilität zu verleihen, wurden die betroffenen Aluminiumvierkantrohre mit Epoxidharz ausgegossen.  

PLA ist eines der meistgenutzten Materialien im FDM-3D-Druck, da es aus nachwachsenden Rohstoffen wie Maisstärke besteht und in Industrieanlagen biologisch abbaubar ist.

3DN: Sind Sie bei der Herstellung des Fahrradanhängers auch auf Herausforderungen gestoßen?

Der Fahrradanhänger sollte sicher, stabil, kostengünstig und mit möglichst jedem gängigen Fahrrad kompatibel sein. All diese Aspekte in einer Konstruktion zu vereinen war eine große Herausforderung. Dabei kristallisierte sich die Konstruktion der mechanisch besonders belasteten Teile als komplexeste Aufgabe heraus. Fährt man beispielsweise mit dem Anhänger einen größeren Bordstein herunter, so wird unter anderem die Deichsel und deren Verbindung mit dem Grundrahmen stark belastet und muss daher besonders verwindungssteif konstruiert sein. Um all das zu schaffen, teilten sich die Schüler in Kleingruppen auf, die sich jeweils auf die Konstruktion bestimmter Baugruppen spezialisierten. Während also die einen den Rahmen konstruierten, widmeten sich andere der Federung oder dem Aufbau. Effiziente Teamarbeit und ein geregelter Workflow waren bei diesem Projekt ein absolutes Muss und es war beeindruckend zu sehen, wie sich die  Schüler bereits nach kurzer Zeit selbst organisierten und teamübergreifend Probleme in Angriff nahmen.

Nichtsdestotrotz waren die Bauteile im Vergleich zu all jenen Formen und Objekten, welche die  Schüler bis dato konstruiert hatten, ein enormer Niveausprung, da sie diese von Grund auf konstruieren, optimieren und an die anderen Teile anpassen mussten. Eine Anleitung gab es nicht, nur eine Schieblehre, das bereits bekannte CAD-Programm und das eigene Vorstellungsvermögen. Freud und Leid lagen hier manchmal sehr nahe beieinander. Die Resilienz der jungen Konstrukteure wurde spätestens dann in besonderem Maße gefordert, wenn ein Teil des Anhängers auch nach mehreren Optimierungsprozessen noch nicht den Anforderungen standhielt. Umso größer war anschließend der Jubel über ein geglücktes Bauteil oder eine fertig gestellte Baugruppe, ganz zu schweigen als der Anhänger seine endgültige Form annahm.

(Bild: Frankenlandschule)

3DN: Wo sehen Sie Ihr Projekt in den nächsten Jahren und was sind Ihre langfristigen Ziele?

Der aktuelle Prototyp des Fahrradanhängers wird im kommenden Schuljahr intensiv getestet. Alle Bauteile werden in bestimmten Intervallen auf ihre Stabilität geprüft und gegebenenfalls in ihrem Design verbessert, um eine möglichst lange Lebensdauer zu gewährleisten. Darüber hinaus möchten wir unterschiedliche Filamente, beispielsweise Verbundfilamente aus Kunststoff und Metall, auf ihre potentielle Tauglichkeit hin testen und so unsere Bauteile auch in puncto Werkstoff optimieren. Gleichzeitig dient der Fahrradanhänger als Trägersystem für unterschiedliche elektronische Aufbauten. Diese basieren auf einem programmierbaren Arduino-Board und dienen dazu, den Anhänger „smarter“ und in seiner Anwendung vielseitiger zu machen. So handelt es sich beim ersten elektronischen Aufbau um einen Abstandssensor, welcher den nachfolgenden Verkehr bei zu geringem Sicherheitsabstand per optischem Signal warnt. Auf diese Weise erhalten die Schüler erste fachliche Impulse im Bereich Programmierung und Elektrotechnik. Weitere Aufbauten, wie etwa eine im Deckel integrierte Solarzelle, die eine Powerbank speist, um beispielsweise ein Handy aufzuladen, sind bereits in Arbeit.   

Langfristig würde ich gerne den 3D-Druck als fixen Bestandteil des Multimedia-Curriculums implementieren. Der 3D-Druck als zukunftsweisende Technologie ist in meinen Augen ein wertvoller didaktischer Ankerpunkt, der Schüler begeistert und auf diese Weise ihr Interesse für naturwissenschaftliche und technische Fragestellungen gewinnt. Zudem bietet dieses Thema den Schülern wertvolle Einblicke in die Welt der modernen Fertigung und Produktentwicklung, insbesondere in Zeiten des technologischen Wandels. Zudem ebnet das Knowhow im Umgang mit einem 3D-Drucker den Schülern den Weg zu zahlreichen beruflichen Möglichkeiten, da die 3D-Drucktechnologie in unterschiedlichsten Branchen immer mehr an Bedeutung gewinnt und Fachkräfte mit Kenntnissen in diesem Bereich sehr gefragt sind. Darüber hinaus sollen in den kommenden Jahren die entwickelten Modelle in unserer schulinternen Übungsfirma fiktiv vermarktet werden. Auf diese Weise könnten kaufmännische und technische Grundlagen verzahnt und praxisorientiert unterrichtet werden. Des Weiteren würde es mich sehr freuen, wenn ich die entwickelten und bereits erprobten Unterrichtsinhalte und Erfahrungen im Rahmen von Fortbildungen an Interessierte, wie beispielsweise Kolleginnen und Kollegen anderer Schulen, weitergeben könnte.  

(Bild: Frankenlandschule)

3DN: Arbeiten Sie auch an anderen 3D-Druck-Projekten? Wenn ja, welche? 

Dem Projekt „Fahrradanhänger“ ging eine intensive fachliche Erarbeitungsphase voraus, in welcher die  Schüler unter Beweis stellen mussten, dass sie den Herausforderungen der Technik gewachsen waren. Neben dem notwendigen mathematischen und technischen Fachwissen, galt es vor allem, sich im Bereich CAD fit zu machen. Vollständige Baupläne aus dem Internet herunterladen kann schließlich jeder. Das ambitionierte erste Ziel: Ein eigenes Schachspiel zu entwerfen und komplett von den Figuren bis hin zum Brett mithilfe des 3D-Druckers herzustellen. Das zwischenzeitlich fertiggestellte Schachbrett kann nun von allen Schülern der Frankenlandschule ausgeliehen und in den Pausenzeiten genutzt werden. Weitere Projekte umfassten bereits komplexere Formen, wie etwa Spiralvasen und Handyhalterungen. Zudem bekamen die Schüler die Gelegenheit, optionale, individuelle DIY-Projekte zu realisieren. 

3DN: Haben Sie noch abschließende Worte an unsere Leserschaft?

Die Schüler des Multimediakurses der zweijährigen Berufsfachschule und ich, möchten an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und 3Dnatives für diese einzigartige Möglichkeit danken, unser Projekt in Ihrem Medium vorstellen zu dürfen. Wir würden uns sehr freuen, Sie und Ihre Leserschaft über unsere kommenden Projekte weiter auf dem Laufenden halten zu dürfen. Um mit mir (Jörn Hahn) in Kontakt zu treten klicken Sie HIER

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