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3D-Druck in der Medizin: verändert sich unsere Gesundheit?

Am 27. April 2022 von Kathrin J. veröffentlicht

Es ist bekannt, dass die additive Fertigung viele Produktionsmethoden verändert, obwohl es ihr derzeit noch schwerfällt, mit einigen klassischen Methoden zu konkurrieren, was vor allem auf die als zu langsam empfundene Geschwindigkeit zurückzuführen ist. Der 3D-Druck von Großserien ist zeitaufwendig und für viele Branchen noch nicht die bevorzugte Methode. Die Medizin interessiert sich jedoch sehr für den 3D-Druck, insbesondere aufgrund der Möglichkeit, Lösungen zu schaffen, die auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten sind. Es sind mehr als 7,5 Milliarden verschiedene Morphologien, an die sich die Ärzte nun anpassen müssen. Die additive Fertigung erscheint daher als eine neue Lösung für die Herstellung von maßgeschneiderten Geräten, die den Bedürfnissen der Patienten entsprechen.

Laut einer kürzlich von Research And Markets veröffentlichten Studie wird der weltweite Markt für 3D-gedruckte medizinische Geräte bis 2026 auf 4,9 Milliarden US-Dollar anwachsen, was einer jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 24,5 % entspricht. Dieses Wachstum ist auf die Möglichkeiten der additiven Fertigung zurückzuführen, die eine individuelle Anpassung ermöglicht, sei es zur Herstellung von Prothesen, Implantaten, zur besseren Vorbereitung auf eine Operation oder zur Herstellung von medizinischen Geräten, die sensible Operationen erleichtern, wie Operationsschablonen und andere Sehhilfen.

Das geschätzte Wachstum des Marktes für Medizinprodukte bis 2026. (Bild: Research and Markets)

Additive Fertigung für die Entwicklung von Implantaten und Prothesen

Ein Implantat soll über einen längeren Zeitraum ein Organ ersetzen oder eine oder mehrere seiner Funktionen übernehmen und muss daher per Definition vollständig an den Patienten und seine Anatomie angepasst sein. Bei herkömmlichen Produktionsmethoden kann die Bereitstellung von Implantaten und Prothesen dieser Art sehr teuer und zeitaufwändig sein. Hier kommt für die Medizin also der 3D-Druck ins Spiel. Um flexibler zu sein, haben sich viele Unternehmen für die 3D-Technologie entschieden.

Ein Beispiel hierfür ist das französische Startup AnatomikModeling, das die erste Tracheobronchialprothese mithilfe von 3D-Technologien entwickelt hat. Sein Geschäftsführer Benjamin Moreno erklärte uns: „Die Verwendung des 3D-Drucks in der Medizin hat mehrere Vorteile: Man kann direkt vom digitalen 3D-Modell zum physischen anatomischen 3D-Modell übergehen und dabei eine sehr gute Genauigkeit beibehalten. Die Zeitersparnis ist groß, bei gleichzeitiger Kostensenkung. Dadurch kann man voll und ganz in das Zeitalter der Personalisierung von medizinischen Geräten eintreten. Es ist auch möglich, anatomische 3D-Modelle mit sehr komplexen geometrischen Formen herzustellen, die über herkömmliche Herstellungstechniken nur sehr schwer zu erhalten wären.“

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Bild: AnatomikModeling

Durch den Einsatz der additiven Fertigung können die Hersteller von Prothesen und Implantaten leichter Lösungen in den richtigen Abmessungen, mit komplexem Design und zu geringeren Kosten herstellen. Was die Langlebigkeit der erstellten medizinischen Geräte angeht ist die Zahl der Beispiele im Vergleich zu herkömmlichen Methoden zwar noch gering, aber es gibt dennoch ein Beispiel für 3D-gedruckte Hüftpfannen aus Titan, die auch 10 Jahre nach dem Einsetzen noch genauso gut funktionieren. Dies erspart dem Patienten den jahrzehntelangen Wechsel des Implantats und erleichtert ihm das tägliche Leben.

Schließlich hat der 3D-Druck auch die Automatisierung des Herstellungsprozesses von Hörgeräten und Zahnprothesen ermöglicht. Laut dem Hersteller EnvisionTEC hat sich die Anzahl der Schritte, die für die Herstellung von Hörgeräten erforderlich sind, in wenigen Jahren von neun auf drei reduziert. Er fährt fort, uns diese im Detail zu erläutern: „Zunächst scannt der Audiologe mit einem 3D-Scanner das Ohr des Patienten, um einen Hörabdruck zu erstellen. Mit diesen 100.000-150.000 Referenzpunkten wird die Analyse an einen Modellierer weitergeleitet, der ein Modell formt. Nach der Fertigstellung wird es aus Harz gedruckt und mit den notwendigen Komponenten ausgestattet.“ Der Hersteller schätzt, dass er jetzt 65 Prothesen pro Stunde drucken kann.

3D-Druck in der Medizin für chirurgische Simulationen

Jedes Jahr werden in den USA mehr als 4000 Menschen, die sich einer Operation unterziehen, durch einen Operationsfehler verletzt – eine alarmierende Zahl, die durch 3D-Technologien reduziert werden könnte. Wie das Universitätsklinikum Brest drucken heute mehrere Krankenhäuser chirurgische Modelle in 3D, sodass Chirurgen vor einer Operation üben können und Fehler vermieden werden. Diese 3D-gedruckten anatomischen Modelle können auch dem Patienten vor der Operation gezeigt werden, damit er sich alle Schritte der Operation ansehen kann, was die Beziehung zwischen Arzt und Patient verbessert.

Thomas Marchand, CEO des französischen Startups BIOMODEX, erklärt, dass der 3D-Druck „es ihnen ermöglicht, eine echte Alternative zu den chirurgischen Trainingslösungen anzubieten, die heute nicht zufriedenstellend sind“ (Training an Patienten, anatomischen Teilen von Leichen oder Tieren, was ethische und logistische Probleme mit sich bringt). Über eine Webplattform kann der Arzt medizinische Bilder seines Patienten hochladen, die von Quellen des CT, MRT oder Ultraschall stammen. Einige Tage später erhält er in seinem Krankenhaus das synthetische Organ BIOMODEX, an dem er üben, den richtigen Ansatz, die richtige Operationsstrategie und die passende, auf seinen Patienten zugeschnittene Prothese (Größe und Positionierung) auswählen kann. Einige der fortschrittlichsten 3D-Druckmodelle könnten sogar Blutungen imitieren und damit der Realität so nahe wie möglich kommen, was die Genauigkeit und Effizienz der chirurgischen Eingriffe erhöhen würde.

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Die additive Fertigung kann potenzielle Risiken bei chirurgischen Eingriffen verringern (Bild: Stratasys)

Das Ziel wäre es, die Zahl der medizinischen Fehler durch eine bessere Ausbildung der Chirurgen zu verringern. Die Ausbildung würde nicht mehr an Tieren oder Leichen stattfinden, was derzeit logistische, aber vor allem ethische Probleme mit sich bringt. Dr. Ahmed Ghazi, Assistenzprofessor an der Abteilung für Urologie der Universität Rochester, kommentiert: „Chirurgen sind wie Piloten. Für einen Piloten gilt es, den Schritt zu gehen, zum ersten Mal allein aus einer Boeing 747 auszusteigen. Für einen Chirurgen ist es ebenfalls obligatorisch, eine Operation von A bis Z völlig selbstständig durchzuführen. Piloten werden mit Hilfe von Flugsimulatoren ausgebildet, aber Chirurgen hatten bislang kein brauchbares Simulationssystem“.

Biodruck zur Herstellung von Gewebe und Organen

Das noch auf Forschungsanwendungen beschränkte Bioprinting ist eine aufstrebende Technologie, die in den letzten Jahren ein starkes Wachstum verzeichnet hat. Es handelt sich dabei um eine Methode zur Herstellung von 3D-gedruckten Zellstrukturen. Obwohl diese langfristig nicht funktionstüchtig sind, sollten alle Fortschritte hervorgehoben werden. Das US-amerikanische Unternehmen Organovo ist beispielsweise einer der Branchenführer; es hat mithilfe von Bioprinting Knochengewebe entwickelt und Lebergewebe transplantiert. Aspect Biosystems wiederum hat einen 3D-Bio-Drucker namens RXI hergestellt, der in der Lage ist, physiologisch komplexe menschliche Gewebe nach Maß zu erstellen. Dieser Fortschritt würde es ermöglichen, verschiedene Medikamente an eigens dafür geschaffenen Organen zu testen, aber auch synthetische Organtransplantationen durchzuführen.

Bioprinting bietet auch die Möglichkeit, Haut herzustellen, wodurch schwere Verletzungen behandelt werden können und Patienten bei der Genesung geholfen werden kann. Marc Jeschke, plastischer Chirurg, erklärt: „Sobald man synthetische Haut aus den Zellen eines Patienten herstellen kann, ändert sich die Lage völlig, weil man sehr schnell operieren kann.“ Man denke an die Fortschritte von Forschern in Südkorea, die zwei Druckmethoden – Extrusion und Tintenstrahldruck – miteinander kombinierten und so eine Haut auf Kollagenbasis mit einer Membran aus Polycaprolacton herstellen konnten. Auch wenn die Entwicklungen noch in den Kinderschuhen stecken, könnte der Bio-Hautdruck nicht nur den chirurgischen Bereich, sondern auch die Kosmetikbranche umkrempeln, wo Produkte direkt auf der biogedruckten Haut getestet werden könnten.

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3D-Druck von Medikamenten

Ein weiterer vielversprechender Bereich der Technologie ist die Möglichkeit, dass Sie in einigen Jahren Ihre Medikamente in 3D drucken lassen können. Die Technologie ist da, aber das Problem ist eher ein regulatorisches. Die Pharmaindustrie ist stark reguliert und es gibt viele Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um auf den Markt zu kommen. Das Unternehmen FabRx scheint jedoch von den Möglichkeiten des 3D-Drucks in der Medizin und Medikamenten überzeugt zu sein und hat sich die Herstellung von Medikamenten aus dem 3D-Drucker zum Ziel gesetzt. Einer der Geschäftsführer, Dr. Alvaro Goyanes Goyanes, erklärt: „Die Tatsache, dass man Tabletten oder medizinische Geräte herstellen kann, indem man einfach eine 3D-Datei ändert, bietet viele Möglichkeiten. Die einfachste ist, die Größe oder die Füllung (d. h. den Prozentsatz des Materials im Inneren des Objekts) ändern zu können und so die Masse der Tablette und damit die Dosis des Medikaments zu verändern.“

Es wäre also möglich, die Dosis jedes Medikaments an den jeweiligen Patienten anzupassen, und das viel einfacher und schneller. Alvaro zufolge ist dieser Fortschritt besonders für die Pädiatrie interessant, wo das Alter und das Gewicht des Kindes einen großen Einfluss auf die Art und Weise haben, wie ein Medikament verabreicht wird. Der Arzt fügt hinzu: „Es wäre möglich, zwei oder mehr Medikamente in einer Tablette zu kombinieren, wodurch die Anzahl der Tabletten, die eine Person schlucken muss, reduziert würde, was insbesondere bei älteren Menschen wichtig ist.“ Was die verwendete Drucktechnologie betrifft scheint FabRx ein Verfahren zu verwenden, das dem Sintern von Pulver ähnelt, einem Pulver, in dem das Medikament enthalten wäre. Alvaro erklärt: „Je nachdem, welche Materialien wir auswählen, können wir eine sehr schnelle Freisetzung oder eine gezielte Freisetzung des Medikaments in bestimmten Bereichen des Gastrointestinaltrakts erreichen.“ Ein Phänomen, das er im Interview mit 3Dnatives erläutert.

Sicher ist, dass der medizinische Bereich eine strahlende Zukunft für das Aufblühen der additiven Fertigung bereithält. In zehn Jahren wird sich der medizinische Bereich dank der sehr schnellen Entwicklung der Technologie stark weiterentwickelt haben, und vielleicht werden wir bis dahin die ersten bio-gedruckten funktionellen Organe sehen – eine Innovation, die den besten Science-Fiction-Filmen würdig ist.

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Ein Kommentar

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  1. Ich frage mich, ob man mit dem 3D-Druck auch einen Drehcodierungsschalter für die medizinischen Geräte drucken könnte? Im Industriegebrauch sind die Anforderungen schon ziemlich komplex und es gibt bestimmt noch Grenzen bezogen auf die Komplexität der Erzeugnisse. Gut zu wissen, dass wir bald die Möglichkeit haben, Medikamente zu drucken!

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